Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Andrej Hunko, MdB, über seine Erwartungen an den Untersuchungsausschuss zur Drohne "Euro Hawk", die Amtsführung von Bundesverteidigungsminister de Maizière, die Mitverantwortung von SPD und Grünen und die 18 Zeugen, die an nur sechs Verhandlungstagen vernommen werden

Am Montag beginnt der Untersuchungsausschuss zum Drohnen-Debakel mit der Vernehmung der Zeugen. Was muss der Ausschuss aus Ihrer Sicht leisten, um erfolgreich zu sein?

Andrej Hunko: Er muss Licht ins Dunkel der skandalösen Vorgänge im Verteidigungsministerium rund um das Drohnenprojekt "Euro Hawk" bringen. Über 500 Millionen Euro wurden in den Sand gesetzt – genauer gesagt: sind auf die Konten der Drohnenindustrie überwiesen. Warum wurde das Projekt erst im Mai 2013 gestoppt, obwohl die Probleme lange bekannt sind? Wer profitiert davon? Warum erweckt de Maizière den Eindruck erst zuletzt von den Problemen gewusst zu haben, obwohl das nachweislich falsch ist. Warum wurde das Projekt überhaupt unter der SPD-Grünen-Regierung gestartet? Was hat das mit dem Verteidigungsauftrag der Bundeswehr zu tun? Wie sind die Verflechtungen zwischen Rüstungsindustrie und der Rüstungsabteilung im Verteidigungsministerium. Und natürlich auch: Brauchen wir überhaupt eine Aufrüstung mit Drohnen, wie zum Beispiel das AGS-Programm der NATO, das weiterhin läuft?

Die Legislatur ist so gut wie vorbei. An sechs Tagen im Juli sollen nun 18 Zeugen angehört werden. Bis Ende August soll der Abschlussbericht gefertigt werden, der dann Anfang September debattiert wird. Ist das nicht ein bisschen viel Eile für eine ernsthafte Untersuchung – noch dazu vor einer Bundestagswahl?

Der Zeitraum ist in der Tat extrem kurz. Das Ausmaß des "Euro Hawk"-Skandals ist allerdings erst im Mai bekannt geworden. Wir standen vor der Alternative, diesen Untersuchungsausschuss noch vor Ende der Legislatur mit einzuberufen oder gar keinen mehr zu haben. Ich hätte es unverantwortlich gefunden, die Klärung dieser Fragen auf die nächste Legislatur zu verschieben. Es ist sicherlich nicht verkehrt, wenn die Öffentlichkeit erfährt, wie am Beispiel der Beschaffung des "Euro Hawk" getäuscht und getrickst wird und welche Verantwortlichkeiten und Verflechtungen da bestehen. Und es wäre auch gut, wenn es anlässlich des Ausschusses eine öffentliche Debatte darüber gibt, ob wir überhaupt die Anschaffung von Drohnen brauchen, und wenn ja für welche Zwecke.

Von welchen Zeugen hoffen Sie, dass sie besonders viel zur Aufklärung beitragen können?

Im Grunde genommen von allen: Von Scharping, Schneiderhan und Jung erwarte ich Aufklärung darüber, warum das Projekt gestartet wurde und welche genauen Einsatzszenarien geplant waren. Von den verschiedenen Vertretern des "Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr" wie der Vertrag mit der EuroHawk GmbH genau zustande kam. Von den Vertreterinnen und Vertretern des Bundesrechnungshofes, was das die öffentliche Hand kostet und was die Hintergründe der "Fehlkommunikation" sind, die der Rechnungshof moniert hat. Bei den Vertretern von Cassidian und Northrop Grumman würde ich gerne ihren Einfluss auf die Vorgänge kennen. Und von den Staatssekretären Beemelmans, Wolf, sowie von de Maizière erwarte ich Aufklärung darüber, warum das Projekt solange hinaus gezögert wurde und welche Motive der Einstellung erst im Mai 2013 zugrunde lagen.

Von Problemen bei der Entwicklung der Drohne will Verteidigungsminister de Maizière lange Zeit nichts gewusst haben. Wie bewerten Sie das Verhalten von de Maizière bei der bisherigen Aufklärung und wie seine Amtsführung?

Das Verhalten von de Maizière ist nicht hinnehmbar. Er hat die Öffentlichkeit nachweisbar getäuscht. Er trägt die politische Hauptverantwortung für das Debakel und ist mitverantwortlich für die fehlende Unterrichtung des Bundestages und der Öffentlichkeit. Die Fraktion DIE LINKE hatte deshalb noch im Juni einen Missbilligungsantrag der Amtsführung im Bundestag eingebracht, der mit den Stimmen der Regierungskoalition abgelehnt wurde. Es geht aber nicht nur um das Fehlverhalten de Maizières: Auch SPD und Grüne tragen Verantwortung, weil sie das Projekt bis zuletzt unterstützt haben. Es geht bei den 14 Fragen, die der Ausschuss zu klären hat, um das Gesamtprogramm "Euro Hawk", um die Mechanismen bei der Beschaffung von Rüstungsgütern, um die Verflechtungen zwischen Rüstungsindustrie und Verteidigungsministerium und nicht zuletzt auch um die weiteren Drohnenprogramme, etwa AGS. DIE LINKE fordert bis zu einer internationalen Drohnenkonvention den Stopp der Drohnenprogramme und den Ausstieg aus dem AGS-Programm.

Rechnen Sie damit, dass die Drohnen-Affäre den Verteidigungsminister sein Amt kosten wird?

Wenn es nach Recht und Gesetz zugeht, müsste de Maizière zurücktreten. Ob es dazu kommt, entscheidet letztlich die informierte Öffentlichkeit. Die CDU/CSU wird sicher nicht mit einem Klotz am Bein in den Wahlkampf ziehen wollen.

linksfraktion.de, 21. Juli 2013

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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