Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Predator and HellfireDas war absehbar: Die breite „gesellschaftliche Debatte“ zu Kampfdrohnen für die Bundeswehr wurde auf eine Anhörung des Verteidigungsausschusses eingedampft. Neben bewaffneten Drohnen soll außerdem eine Reihe weiterer unbemannter Systeme beschafft werden. Emsig wird auch an der Eignung großer Drohnen für polizeiliche und grenzpolizeiliche Zwecke geforscht.

Die Bundesregierung bleibt auf ihrem Drohnen-Kurs. Das ist die Quintessenz aus mehreren Kleinen Anfragen die wir in den letzten Monaten an das Verteidigungsministerium gerichtet haben. Nach wie vor hält die Bundeswehr daran fest, bewaffnete Drohnen zu beschaffen. Inzwischen ist die Rede von 16 Kampfdrohnen, die dann in Jagel/ Schleswig-Holstein stationiert würden. Fraglich ist lediglich, ob diese aus gemeinsamer europäischer Produktion stammen. Sofern sich die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Italiens hierzu nicht einig werden, wird die Bundeswehr ihre Drohnen in den USA oder in Israel bestellen. Schon jetzt fliegt die Bundeswehr drei israelische Drohnen des Typs „Heron“ („Reiher“) in Afghanistan, allerdings unbewaffnet. Die  „Heron“ kann jedoch mit Raketen nachgerüstet werden. Möglich also, dass die Bundeswehr dem israelischen Hersteller treu bleibt – führende Generäle liebäugeln jedoch mit US-Drohnen der Typen „Predator“ („Raubtier“) oder „Reaper“ („Sensenmann“).

Eigentlich sollte die Beschaffung der neuen Waffensysteme von einer breiten „gesellschaftlichen Debatte“ abhängig gemacht werden, damit völker- und verfassungsrechtliche, sicherheitspolitische und ethische Fragen „sorgfältig geprüft“ werden könnten. So stand es auch im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Die Auseinandersetzung war dann aber auf eine einmalige Anhörung im Bundestag eingedampft worden. An der Haltung der Verteidigungsministerin hat das wenig geändert, immerhin habe die Tagung des Verteidigungsausschusses aber „einen wertvollen Beitrag geliefert“. Worin dieser Beitrag bestand und inwiefern die Debatte die Entscheidung zu Kampfdrohnen letztlich beeinflusst haben soll, wird nicht mitgeteilt.

Mehrere Riesendrohnen auf Sizilien…

Die Ausrüstung mit Kampfdrohnen ist aber nicht die einzige Initiative zur Beschaffung neuer, großer Drohnen für die Bundeswehr: Letztes Jahr hatte der Skandal um den „Euro Hawk“ bedrohlich am Stuhl des Verteidigungsministers gerüttelt. Der Flugroboter des US-Herstellers Northrop Grumman ist als sehr hoch fliegende Spionagedrohne konzipiert, der Rüstungskonzern EADS (jetzt Airbus Group) war mit der Entwicklung eines Abhörsystems beauftragt und hat dieses angeblich auch erfolgreich fertig gestellt. Dumm nur, dass die Drohne in der Größe eines Passagierflugzeugs nicht fliegen darf: Weil es an einer Reihe von Zertifikaten fehlt, wird der „Euro Hawk“ keine Zulassung für den allgemeinen Luftraum erhalten. Die Bestellung weiterer Drohnen aus den USA wurde gestoppt, der Prototyp eingemottet. Entwarnung bedeutet das nicht: Das Verteidigungsministerium kündigt an, bald über die Weiterverwendung des „Euro Hawk“ zu entscheiden.

Die NATO errichtet im sizilianischen Sigonella ein milliardenschweres „Alliance Ground Surveillance System“ (AGS), für das ebenfalls mehrere Drohnen des Typs „Global Hawk“ beschafft werden. Die „Global Hawk“ ist in etwa baugleich mit dem „Euro Hawk“ und stammt vom gleichen Hersteller. Im Gegensatz zum „Euro Hawk“ soll der „Global Hawk“ aber nicht mit Abhöranlagen, sondern mit hochauflösenden Kameras bestückt werden. Die Gesamtkosten des neuen NATO-Systems werden mit 1,452 Milliarden Euro angeben, hinzu kommen Gelder für die Infrastruktur (105,4 Millionen Euro) sowie die Anmietung kommerzieller Satellitenkapazitäten (bis zu 250 Millionen Euro). Der Betrieb der Basis auf Sizilien verschlingt weitere Gelder. Bislang sind in Sizilien lediglich „Global Hawk“ der US-Luftwaffe stationiert, spätestens 2017 sollen aber die ersten Exemplare für die NATO geliefert werden.

… und bald in Schleswig-Holstein?

Die NATO hat nun ein Video zum Drohnen-Programm auf Sizilien veröffentlicht. Demnach könnte die „Global Hawk“ für zivile und militärische Zwecke gleichermaßen genutzt werden. Genannt werden Einsätze zur Bekämpfung von Piraterie, Terrorismus oder unerwünschter Migration. Als weitere Anwendungsgebiete gelten Katastrophen oder Öl-Havarien. Auch humanitäre Missionen könnten von der Spionagedrohne begleitet werden. Schon jetzt wird die Einbindung der „Global Hawk“ in die Lufträume europäischer Länder geprobt. Die NATO hatte kürzlich in Norwegen ein Manöver abgehalten, für das auch Drohnen aus Sizilien angefordert wurden. Gesteuert wurde die Übungsmission von einer Kontrollstation auf einer Basis in Beale/USA. Ein deutscher Offizier war hierfür als Beobachter in die Steuerungszentrale in die USA entsandt worden. Die Riesendrohne der US-Luftwaffe sollte als „kürzeste Wegstrecke“ von Sizilien nach Norwegen auch Österreich und Deutschland überqueren, die Regierung in Wien verweigerte jedoch die erforderliche Genehmigung. In die Drohne waren zahlreiche Aufklärungssensoren eingerüstet, darunter elektrooptische Kameras und Geräte zur Radarabbildung, aber auch zum Abhören funkgebundener Kommunikation. Schließlich flog die „Global Hawk“ über Frankreich und Großbritannien.

Zusätzlich zu den Drohnen auf Sizilien will die Bundeswehr eigene „Global Hawk“ kaufen, diese aber im Auftrag der NATO ebenfalls in Schleswig-Holstein stationieren. Sie würden dann dem „Zentrum Luftoperationen“ der Bundeswehr im niederrheinischen Kalkar unterstellt. Spätere Einsätze der „Global Hawk“ könnten unter anderem aus dem benachbarten Uedem geführt werden. Dort unterhält die NATO ein gemeinsames Hauptquartier, das für einen Umkreis von mehreren Tausend Kilometern zuständig ist. Der Verantwortungsbereich erstrecke sich laut Bundeswehr „von den Niederlanden bis Estland, von den Alpen bis zur Ostsee“ und umfasst den Luftraum von zehn Ländern. Alle Oberbefehle kommen aber aus dem NATO-Luftstreitkräftekommando in Ramstein.

Ramstein als Knotenpunkt der militärischer Drohnen

Ebenfalls in Ramstein befinden sich zahlreiche Anlagen des US-Militärs, darunter das US-Africa Command (AFRICOM). Letztes Jahr hatten Presseberichte enthüllt, wie US-Basen in Deutschland für Drohnenangriffe in Asien oder Afrika genutzt werden. Die Journalisten berichteten, dass in Ramstein eine Relaisstation für die Kommunikation und Steuerung von Drohnen gebaut worden war. Dies hatte der frühere Drohnenpilot Brandon Bryant bestätigt: Demnach sei der „gesamte Drohnen-Krieg des US-Militärs“ ohne Infrastruktur in Deutschland „nicht möglich“. Immer würden Daten über Ramstein fließen, egal wo die Drohnen im Einsatz seien.

Ich habe die Bundesregierung mehrfach dazu befragt, denn sollten die Berichte stimmen würde es sich um eine stillschweigende Unterstützung des US-Drohnenkrieges handeln. Gebetsmühlenartig berufen sich die antwortenden Staatssekretär/innen auf ein Dementi des US-Präsidenten Barack Obama. Dieser hatte im Herbst vergangenen Jahres beteuert, von Ramstein würden keine Drohnen Richtung Afrika oder Asien starten, auch die Befehle würden von woanders erteilt. Allerdings hatte dies auch niemand behauptet: Stattdessen ging es um die unabdingbare Nutzung elektronischer US-Anlagen in Deutschland. Mittlerweile – fast ein Jahr nach den ersten Berichten - hat die Bundesregierung selbst bei der US-Botschaft nachgefragt. Im Juli wurde mir bedeutet, eine Antwort aus den USA sei „innerhalb weniger Wochen“ zu erwarten. Im September lag jedoch immer noch keine Mitteilung hierzu vor, es werde aber „fortgesetzt an die ausstehende Beantwortung“ erinnert. Ähnlich war die Bundesregierung bereits zur NSA-Affäre hingehalten worden: Auf mehrere „Fragenkataloge“ war auch nach einem Jahr keine Antwort eigegangen.

Ähnliche Informationsdefizite tun sich derzeit in Bayern auf: Dort fliegen die US-Militärs über ihren Kasernen mit unbewaffneten größeren Drohnen, um für die Aufklärung in Kriegsgebieten zu trainieren. Einige der dort geflogenen Drohnen sind – je nach Ausführung – sogar bewaffnungsfähig. Nun ist eine Ausweitung des Übungsgebietes auf bayerische Gemeinden beabsichtigt, die notwendige Genehmigung beim Bundesverteidigungsministerium beantragt. Allerdings weigert sich die US-Armee, Daten über die genutzten Drohnen herauszurücken. Anwohner/innen berichten nun, dass die US-Drohnen bereits außerhalb der genehmigten Bereiche unterwegs seien.

Auch unbewaffnete Drohnen sind Bestandteil militärischer Kriegslogik

Der Protest gegen Kampdrohnen als Killerwaffen ist richtig und wichtig. Kampfdrohnen sind als Offensivwaffen konzipiert. Sie senken die politische Hemmschwelle bei der Entscheidung über Militäreinsätze. Sie führen zur Entgrenzung des Krieges, zeitlich und räumlich. Ich habe beschrieben, wie Drohnen aber auch zur Aufklärung und Überwachung eingesetzt werden. Auch die unbewaffneten Drohnen sind also unverzichtbarer Bestandteil der militärischen Kriegslogik. Die Drohnenpolitik der Bundesregierung ist ein Milliardengeschäft für die Rüstungsindustrie. Hierzu gehören auch Forschungen: Dreistellige Millionenbeträge sind hierzu schon an deutsche Rüstungskonzerne geflossen. Mehr als 300 Millionen Euro hat die EU bereits in die Drohnenforschung versenkt. Bis 2028 will die EU-Luftfahrtagentur große Drohnen vollumfänglich in die zivile Luftfahrt integrieren. Dabei geht es nicht nur um Zulassung und Zertifizierung großer unbemannter Flugzeuge; geforscht wird auch an der Eignung der bislang nur militärisch genutzten Langstreckendrohnen für polizeiliche und grenzpolizeiliche Zwecke. Auch das ist Teil der Debatte. Es geht nicht nur um Kampfdrohnen, sondern auch darum, dass Drohnen zum Beispiel zur Grenzsicherung eingesetzt werden sollen.

Wie unbemannte Systeme immer näher auch an andere Einsätze heranrücken, zeigt die jüngste Initiative des Verteidigungsministeriums: Die Bundeswehr soll Drohnen über der Ostukraine aufsteigen lassen, um das dortige Kampfgebiet aufzuklären den Waffenstillstand zu überwachen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sucht dabei nach Beweisen, dass russische Truppen in der Ukraine aktiv sind.

Für den 4. Oktober ist ein Internationaler Anti-Drohnen-Tag ausgerufen worden. In dem Aufruf zu dem Aktionstag wird gegen Kampf- und Überwachungsdrohnen gleichermaßen mobil gemacht. Dem schließe ich mich ausdrücklich an. Die Bundesregierung muss sich in internationalen Organisationen für eine Drohnenkonvention einsetzen, die nicht nur den Einsatz vollautomatisierter Waffen ächtet. DIE LINKE fordert die streng zivile Nutzung von unbemannten Plattformen. Einsätze von Drohnen durch Polizei- oder Grenzbehörden lehnen wir allerdings weiterhin ab.

Zuerst veröffentlicht im Linksletter NRW

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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