Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

junge-welt-logoEU schafft sich ein »Strategisches Kommunikationsteam Ost«. Das könnte die Konfrontation mit Russland weiter anheizen. Gespräch mit Andrej Hunko

Die Europäische Union stockt auf: Mit der »EU East Stratcom Task Force« will der Staatenbund in Osteuropa für seine Werte werben. Herr Hunko, wie schätzen Sie die Einrichtung des »Strategischen Kommunikationsteams Ost« ein?

Ich sehe die Task Force als Propagandainstitution. Hier soll russischer Stimmungsmache eine eigene Darstellung entgegengesetzt werden. Aber die Schilderungen der EU sind ebenso Propaganda, gerade was den Ukraine-Konflikt angeht. Nehmen Sie nur den eindeutig verfassungswidrigen Putsch in Kiew vom 21. und 22. Februar 2014. Das dortige Parlament war von bewaffneten Kräften des »Rechten Sektors« umstellt. Doch im Westen wurden die Vorgänge einheitlich als Revolution gegen Korruption dargestellt. Bislang wurde so innerhalb der EU das eigene Vorgehen gerechtfertigt. Nun zielt man auf die Bevölkerung der osteuropäischen Staaten.

Gleich in sieben Staaten will man aktiv werden: in der Ukraine, in Georgien, Armenien, Aserbaidschan, in der Republik Moldau, in Belarus und schließlich in Russland.

Nehmen wir Moldawien als Beispiel. Das Land ist der Ukraine insofern ähnlich, als es sich lange etwa zur Hälfe Richtung Moskau und zur anderen Hälfte Richtung EU ausrichtete. Nun kam es vor wenigen Tagen zum Sturz der Regierung, die als proeuropäisch dargestellt wurde. Tatsächlich ist die Stimmung in Moldawien im vergangenen Jahr deutlich umgeschlagen, eine Mehrheit der Bevölkerung spricht sich mittlerweile für eine Wirtschaftsunion mit Russland aus. Diese Verhältnisse will die EU ändern – und auch mit entsprechenden Kommunikationsstrategien.

In einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage von Ihnen zu dem Thema liest sich das anders. Dort heißt es, das »Kommunikationsteam« solle unabhängige Medien in der Region fördern.

Ich vermute, dass jene Medien gefördert werden, die auf einen Regierungssturz in Russland hinarbeiten. Nach wie vor sehen das viele Kräfte in EU und Deutschland als Lösung für den Konflikt in der Ukraine. Insbesondere die Heinrich-Böll-Stiftung brachte einen Maidan auf dem Roten Platz ins Gespräch.

Welcher EU-Behörde ist die neue Institution angegliedert?

Sie untersteht dem Europäischen Auswärtigen Dienst, EAD. Der ist eine Mischung aus Verteidigungsministerium und Außen- sowie Entwicklungsministerium. Beispielsweise unterstehen dem EAD auch die Battlegroups bzw. Kampfeinheiten der EU. Das Militär hat also einen starken Einfluss. Da steht zu befürchten, dass auch die Kommunikationsstrategien der Task Force einer militärischen Logik folgen.

Aber das »Kommunikationsteam« ist ja nicht nur darum bemüht, die NATO einzubinden, sondern auch Organisationen wie den Europarat oder die OSZE.

Das ist durchaus problematisch. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE, und der Europarat sind eigentlich gesamteuropäisch ausgerichtet. In beiden ist auch Russland Mitglied. Doch seit Jahren wird versucht, die Organisationen gegen Russland in Stellung zu bringen und russische Vertreter zu isolieren. Im Europarat sind die Abgeordneten aus Russland Sanktionen unterworfen und können zu dessen Sitzungen gar nicht mehr kommen. Diese Tendenzen werden nun weiter gestärkt.

Was müsste statt dessen geschehen?

Auf der Informations- und Medienebene wäre es wichtig, dass man zu einem gemeinsamen Verständnis dieses Konflikts kommt. Was geschah mit dem Flug MH17? Was passierte in Odessa? In den europäischen Medien fängt die Geschichte meist erst mit der Annektion der Krim an. Die wird schlicht als böse Tat Putins betrachtet. Doch auch in Russlands Zeitungen wird sehr einseitig das Interesse des Landes und Putins dargestellt. Demgegenüber müsste man vielmehr versuchen, eine gemeinsame Kommunikation zu schaffen.

Das klingt, als sei Russland nicht besser als die EU.

Es geht nicht darum, ob Russland nun 50 oder 20 oder zehn Prozent der Schuld hat. Solche Debatten hatten wir auch manchmal in unserer Fraktion. Doch eine solche Äquidistanz lehne ich ab. Natürlich gibt es Russlands Propaganda. Es gibt auch Aktivitäten, die ich nicht befürworten würde. Aber für die Eskalationsdynamik und das Anheizen des Konfliktes ist der Westen verantwortlich. Die Osterweiterung der NATO darf da nicht unerwähnt bleiben.

Interview: Johannes Supe

Andrej Hunko ist Bundestagsabgeordneter der Linkspartei. Zudem ist er Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates

Erschienen in der Zeitung junge Welt vom 2.11.2015

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