Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Weitere Zunahme von »stillen SMS«. BKA will mobile Geräte mit Spionageprogrammen ausforschen

Von Andrej Hunko

Weiterhin wird eine große Zahl sogenannter stiller SMS zur Ortung von Mobiltelefonen versendet. So steht es in der Antwort auf eine Anfrage, die Die Linke halbjährlich bei der Bundesregierung einreicht. In den letzten sechs Monaten des Jahres 2015 verschickten die Behörden des Bundesinnenministeriums demnach 210.261 solcher heimlichen Kurznachrichten. Sie bleiben für die Empfänger unsichtbar, erzeugen aber einen Datensatz zur genutzten Funkzelle, der von den Telefonanbietern auf Vorrat gespeichert wird. Regelmäßig abgefragt, erhalten die Sicherheitsbehörden dadurch ein Bewegungsprofil der Observierten. Mitunter genügt es den Polizeien und Geheimdiensten, lediglich einmal pro Tag den Aufenthaltsort der Betroffenen zu erfahren. Möglich ist aber auch die Verfolgung in nahezu Echtzeit.

Die Zahlen für das Bundeskriminalamt (BKA) sind in diesem Halbjahr zwar wieder zurückgegangen, liegen jedoch deutlich über dem Niveau der Vorjahre. Der Verfassungsschutz verschickte 72.000 »stille SMS«, was einer Zunahme von gut 50 Prozent entspricht. Den meisten Zuwachs verzeichnet die Bundespolizei, deren Zahl sich auf 92.000 verdoppelte. Auf seiten des Inlandsgeheimdienstes dürfte der Anstieg auf die Verfolgung sogenannter ausländischer Kämpfer und ihrer Kontaktpersonen zurückgehen. Unerklärlich ist jedoch die großzügige Nutzung bei der Bundespolizei. Es ist zu vermuten, dass nach der jüngsten Änderung des »Antiterrorgesetzes« vor allem Fluchthelfer betroffen sind. Zahlen zu den ebenfalls zunehmenden »stillen SMS« des Zolls sind seit einigen Jahren als Verschlusssache eingestuft. Weiterhin fehlt jede Angabe zum Bundesnachrichtendienst. Auch ist unklar, inwiefern die Ortungsimpulse überhaupt zur Aufklärung oder Verhinderung von Straftaten beitragen.

Außer den heimlichen Kurznachrichten nutzen die deutschen Polizeien und Geheimdienste weitere Methoden der digitalen Ausforschung mobiler Geräte. Computer und Handys können mit sogenannten WLAN- oder IMSI-Catchern auf einige Meter genau lokalisiert und auch abgehört werden. Das Bundesinnenministerium ließ einen Trojaner programmieren, um die Rechner von Zielpersonen zu infiltrieren. Laut der Antwort arbeitet das BKA mit einigen Bundesländern daran, auch mobile Geräte mit solchen Spionageprogrammen auszuforschen.

Die Anfrage zeigt, dass der Sicherheitsapparat alle ihm zur Verfügung stehenden Techniken auch einsetzt. Die Verhältnismäßigkeit bleibt auf der Strecke. Die Möglichkeit zur Klage ist eingeschränkt, denn Betroffene erfahren beispielsweise von einer »stillen SMS« gewöhnlich nichts. Als erster Schritt muss deshalb eine Benachrichtigungspflicht eingeführt werden. Schließlich fordert Die Linke eine unabhängige Überprüfung der intransparenten Rechtslücke: Die heimlichen Textnachrichten sind rechtswidrig, denn Polizei und Geheimdienste dürfen laut Gesetz nur passiv abhören. Die Erzeugung einer »stillen SMS« aber ist ein aktiver Vorgang.

Zuerst erschienen in der jw vom 17.8.2016

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