Rede zum Antrag der Koalitionsfraktionen (Drucksache 18/12942) und der Fraktion DIE LINKE (Drucksache 18/12937) am 28.06.2017

Die 2009 ins Leben gerufene Politik der "Östlichen Partnerschaft" der EU wurde geschaffen, um die ehemaligen Sowjetrepubliken Moldawien, Ukraine, Georgien, Belarus, Aserbaidschan und Armenien in den Einflussbereich der EU zu bringen. Diese Politik hat einen Scherbenhaufen hinterlassen, was auch die Koalition inzwischen hinter vorgehaltener Hand anerkennen muss. DIE LINKE fordert eine Neuausrichtung der EU-Ostpolitik. Sie muss sich an einer Kooperation mit den sogenannten Zwischenländern, aber auch mit Russland orientieren. Bei dieser Kooperation sollten keine neoliberalen Freihandelskriterien, sondern die wirtschaftliche und die soziale Entwicklung im Vordergrund stehen.

 

Frau Präsidentin!Meine Damen und Herren!

Wir reden heute über die Östliche Partnerschaft der Europäischen Union anlässlich des Gipfels, der im November stattfinden wird. Zur Östlichen Partnerschaft liegen ein Antrag auch der CDU/CSU und ein Antrag der Linken vor.

Ich erinnere mich sehr gut, wie wir hier vor gut zwei Jahren die drei Assoziierungsabkommen mit der Ukraine, Georgien und Moldawien diskutiert haben. Wir haben als Linke dagegengestimmt, Sie haben zugestimmt. Das war eine Inszenierung, eine Veranstaltung mit den Botschaftern dieser Länder, mit den Parlamentspräsidenten. Es war eine Feierstimmung.

Wenn ich das mit dem jetzt vorliegenden Antrag der Großen Koalition vergleiche, muss ich sagen: Hier ist doch sehr viel Realismus eingekehrt, und hier ist auch ein Stück weit Selbstkritik eingekehrt. Das begrüßen wir als Linke außerordentlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Östliche Partnerschaft mit den Ländern Moldawien, Ukraine, Georgien, Belarus, Aserbaidschan und Armenien hatte aus meiner Sicht zum Ziel, diese Länder in den Einflussbereich der Europäischen Union zu bringen. Ziel war nicht, eine Beitrittsperspektive zu eröffnen, sondern, diese Länder insbesondere durch Assoziierungsabkommen an die Europäische Union heranzuführen. Diese Assoziierungsabkommen waren im Kern Freihandelsabkommen, die zum Beispiel auf Absenkung der Zölle und Liberalisierung der Dienstleistungen abzielten. Das war ein Grund, warum wir diese Abkommen kritisch gesehen haben.

Ein weiterer und vielleicht wichtigerer Grund war, dass diese Abkommen die betreffenden Länder, insbesondere die Ukraine und Moldawien, vor die Alternative „EU oder Russland“ gestellt und damit ein Stück weit zerrissen haben. In der Ukraine war 2013 etwa die Hälfte der Bevölkerung dagegen und eher prorussisch orientiert.

(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Großer Unfug! Russische Propaganda!)

Auch in Moldawien gab es eine leichte Mehrheit für die prorussische Orientierung. Das hat die Länder natürlich vor große Probleme gestellt. In der Ukraine kam es zu Protesten, den blutigen Unruhen auf dem Maidan und schließlich zum verfassungswidrigen Sturz des Präsidenten Janukowytsch. Das ist auch auf die Konzeption der Östlichen Partnerschaft zurückzuführen. Das ist sicherlich nicht der einzige Faktor. Auch die NATO-Osterweiterung spielte hier eine sehr große Rolle.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich bin sehr froh, dass Sie in Ihrem Antrag – kritisch rückblickend – schreiben:

Bei kritischer Bilanzierung der zurückliegenden Jahre zeigt sich, dass das erklärte Ziel der ÖP, den östlichen Nachbarstaaten der EU ... Möglichkeiten zu eröffnen, sich zu einer stabilen und wirtschaftlich prosperierenden Umgebung zu entwickeln, bisher nicht oder nur in Ansätzen erreicht wurde. Oder um es deutlicher zu formulieren: Die Politik der Östlichen Partnerschaft der Europäischen Union ist ein Scherbenhaufen. Das wird inzwischen hinter vorgehaltener Hand so ausgedrückt. Im vorliegenden Antrag der Koalition wird es etwas besser umschrieben.

Wir brauchen aus unserer Sicht eine Neuausrichtung der Östlichen Partnerschaft. Sie muss sich an einer Kooperation mit den sogenannten Zwischenländern, aber auch mit Russland orientieren. Bei dieser Kooperation sollten keine neoliberalen Freihandelskriterien, sondern die wirtschaftliche und die soziale Entwicklung im Vordergrund stehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie schreiben mit Blick auf den Gipfel, der im kommenden November stattfinden und für die Zukunft der Ostpolitik wichtig sein wird – ich zitiere Ihre Forderungen an die Bundesregierung –, „sich dafür einzusetzen, dass im Rahmen der Weiterentwicklung der ÖP-Politik der EU die bestehenden ökonomischen sowie gesellschaftlichen Verflechtungen zu den jeweiligen Nachbarn stärker als bisher berücksichtigt werden. Die Nachbarn der EU sind auch Russlands Nachbarn.“ Das können wir nur ausdrücklich unterstützen. Wir hätten uns gewünscht, dass das schon vor einigen Jahren so formuliert worden wäre.

(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von der Charta von Paris haben Sie noch nie etwas gehört, oder?)

Ich werde nicht zu allen Punkten etwas sagen. Nur noch so viel: Wir brauchen eine Neuausrichtung. Wir haben eine Reihe konkreter Vorschläge in unserem Antrag gemacht. Der Antrag der Koalition geht, verglichen mit dem, was bisher gesagt wurde, in die richtige Richtung. Es gibt allerdings viele Punkte, die wir kritisch sehen. Deswegen können wir ihm nicht zustimmen. Ich bitte Sie daher, dem Antrag der Linken zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

 

Quelle: Plenarprotokoll 18/242