„Die Antwort der Bundesregierung zur Spionage in beschlagnahmten Mobiltelefonen ist besorgniserregend: Wieder wird eine öffentliche Auskunft zur digitalen Schnüffelei durch Polizeien und Geheimdiensten verweigert. Das Fragerecht von Abgeordneten wird zur Makulatur“, kommentiert der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko ein entsprechendes Schreiben des Bundesinnenministeriums.

Der Abgeordnete hatte sich nach Technik erkundigt, mithilfe derer bei Bundesbehörden Daten von Mobiltelefonen ausgelesen werden kann: Anruflisten, Fotos, Videos, SMS-Nachrichten, E-Mails, Social Networking Daten oder auch persönliche Dateien. Der Blog netzpolitik.org sowie die Tageszeitung Die Zeit hatten über Großbritannien und die USA berichtet, dass die Praxis längst üblich sei und sogar bei Verkehrsverstößen genutzt wird. Die Bundesregierung verweigerte nun die öffentliche Beantwortung der Frage.

Andrej Hunko weiter:

„Mir ist nicht ersichtlich, weshalb die Nutzung dieser forensischen Werkzeuge dem Geheimschutz unterliegen soll. Die Bundesregierung hat auch nicht deutlich gemacht, welches zu schützende Gut eine öffentliche Beauskunftung verletzen würde.

Die Nicht-Antwort reiht sich stattdessen ein in eine Praxis, das Arsenal digitaler Schnüffelwerkzeuge bei Polizeien und Geheimdiensten weiter zu verheimlichen: Auch frühere Fragen zu WLAN-Catchern, Stillen SMS, Trojanern oder IMSI-Catchern wurden mir nur teilweise beantwortet.

Ich wollte jetzt erfahren, ob beispielsweise die Bundespolizei Mobiltelefone von in Gewahrsam Genommenen ausliest. Auch wenn diese Geräte vom Bundes- oder Zollkriminalamt genutzt werden, muss dies einer anwaltlichen und bürgerrechtlichen Prüfung unterzogen werden. Wie sonst sollen Anwälte ihr Mandat zum Schutz von Persönlichkeitsrechten bei Massenfestnahmen im Zuge politischer Proteste wie in Dresden oder im Wendland wahrnehmen?

Eine Öffentlichkeit muss wissen, in welchem Maße der Staat in Persönlichkeitsrechte seiner Bewohner/innen eingreift. Dies gilt insbesondere für Mobiltelefone: Deren Nutzer/innen müssen über Möglichkeiten des Auslesens ihrer intimen, schützenswerten Daten in Kenntnis gesetzt werden.

Wie wichtig ein Verständnis digitaler polizeilicher Werkzeugen ist, wurde zuletzt im Falle der Mordserie des ‚Nationalsozialistischen Untergrunds‘ deutlich: Zwar wurden die Taten in einer länderübergreifenden geheimdienstlichen Datenbank gespeichert, die das computergestützte Erkennen von Zusammenhängen unter Personen und Sachen versprach. Bekanntlich half die technische Aufrüstung aber nicht, die Täter zu fassen - es fehlte stattdessen der Blick nach Rechts.

Die Heimlichtuerei zu Möglichkeiten und Grenzen digitaler Überwachung sorgt für ein wachsendes Misstrauen gegenüber der Regierung und ihren Polizeien und Geheimdiensten: Viele Menschen fühlen bespitzelt und überwacht – offensichtlich zu Recht.

Ich muss nun davon ausgehen, dass das Auslesen von Mobiltelefonen von deutschen Behörden praktiziert wird. Bezüglich des alarmierenden Schweigens zu dieser Technik habe ich jetzt eine Beschwerde beim Bundesinnenministerium eingelegt“.

Die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage zu Technik zum Auslesen von Daten von Mobiltelefonen bei Bundesbehörden: http://www.andrej-hunko.de/start/download/doc_download/228-schriftliche-frage-zu-technik-zum-auslesen-von-daten-von-mobiltelefonen-bei-bundesbehoerden 

Frühere Fragen von Andrej Hunko nach Details digitaler Überwachungstechnologie, die teilweise weiter geheim bleiben sollen: http://www.andrej-hunko.de/component/content/article/7-beitrag/1085-von-digitalen-tsunamis-und-sciroccos