Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

1. Die geplante Stationierung deutscher „Patriot-Luftabwehrraketensysteme“ und von Awacs-Überwachungsflugzeugen mit insgesamt 400 Bundeswehrsoldaten an der türkisch-syrischen Grenze trägt zur weiteren Eskalation des syrisch-türkischen Konfliktes bei. Deutschland würde noch mehr zu einer Konfliktpartei in einem Konflikt, der weit über das türkisch-syrische Grenzgebiet hinaus den gesamten Nahen und Mittleren Osten betrifft. Für eine diplomatische Vermittlung zur friedlichen Beendigung des innersyrischen Konflikts wäre die Bundesregierung damit zusätzlich diskreditiert. Zudem erhöht sich das Risiko, dass deutsche Soldaten bei einer weiteren Eskalation direkt in einen regionalen Nahostkrieg hineingezogen werden.

2. Eine Bedrohung der Türkei, wie jetzt als Begründung für die Stationierung von Patriot-Raketen angeführt, existiert nicht. Eine Pflicht zum militärischen Beistand besteht demnach selbst im Sinne des NATO-Vertrages nicht. Weder hat die syrische Regierung der Türkei mit einem Angriff gedroht, noch gab und gibt es solche Angriffe oder Vorbereitungen für solche Angriffe. Der bisherige grenzüberschreitende Beschuss mit Mörsern und Granaten durch syrische Artillerie, bei dem auch Zivilistinnen und Zivilisten getötet wurden, wurde selbst von der türkischen Regierung als nicht vorsätzlich und nicht gegen die Türkei gerichtet bewertet. Die syrische Regierung hat sich für die Vorkommnisse offiziell entschuldigt. Die zu beklagenden Übergriffe könnten durch Patriot-Raketen ohnehin nicht abgewehrt werden - deren Stationierung ist daher sinnlos.

3. Die türkische Regierung verfolgt in der Region eigene Machtinteressen und setzt auf eine Eskalation des Konfliktes, für die sie sich jetzt den Beistand der NATO sichern möchte. Berichte über die Gewährung von Rückzugsräumen und die militärische Ausbildung von bewaffneten syrischen Rebellen konnte die türkische Regierung ebenso wenig glaubhaft entkräften wie den Vorwurf illegaler Waffenlieferungen. Auf diese Weise trägt die türkische Regierung zur weiteren Militarisierung des innersyrischen Konfliktes bei und erschwert damit die Verhandlungen über notwendige diplomatischer Kompromisse.

4. Bereits am 4. Oktober 2012 genehmigte das türkische Parlament eine militärische Intervention in Syrien. Sollte die türkische Regierung diesen Beschluss zur Grundlage machen, um in Syrien militärisch zu intervenieren, so wäre dies ein eindeutiger Bruch des Gewaltverbotes der UNO-Charta (Art. 2) und des NATO-Statuts (Art. 1). Bereits mehrfach hat die Türkei eine Schutzzone für Flüchtlinge, die faktisch auch eine Flugverbotszone wäre, entlang der türkisch-syrischen Grenze gefordert. Eine solche Schutz- und Flugverbotszone ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates wäre völkerrechtswidrig und würde zu einer weiteren Gewaltverschärfung und damit zu noch mehr Leid in der syrischen Bevölkerung führen. Die Stationierung der Patriot-Systeme wirkt in diesem Zusammenhang nicht deeskalierend, wie behauptet, sondern konfliktverschärfend.

Ich werde deshalb gegen den Antrag der Bundesregierung stimmen.

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko