Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

„Die deutschen Forschungsvorhaben zur Mustererkennung in der Videoüberwachung überschreiten eine rote Linie: Eine geheim gehaltene Software soll verdächtige Personen aufspüren, indem ihr Verhalten oder auffällige Gepäckstücke untersucht werden. Der jüngste Anschlag in Boston wird nun benutzt, die bedenkliche Technologie in den Alltag zu überführen. Es handelt sich aber um eine permanente, computergestützte Vorkontrolle“, kritisieren Andrej Hunko und Herbert Behrens die nun vorliegende Antwort auf eine entsprechende Kleine Anfrage.

Die Bundestagsabgeordneten hatten sich nach Forschungsvorhaben der Bundesregierung und der Europäischen Union erkundigt, in denen Video- und Audiodaten automatisiert erfasst und analysiert werden. Die erlangten Informationen werden nach Auffälligkeiten abgesucht. Zuvor muss unerwünschtes Verhalten als „verdächtig“ klassifiziert werden. Mehrere Landeskriminalämter, die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt arbeiten hierfür in den Projekten als spätere „Endnutzer“ mit. Ziel ist unter anderem eine „Detektion von aggressiven Akten“.

„Die von der Bundesregierung behauptete ‚abschreckende Wirkung‘ von Kameraüberwachung im öffentlichen Raum ist nicht belegt. Eine weitgehende Überwachung aller Lebensbereiche stigmatisiert alle Bürgerinnen und Bürger als potenzielle Gesetzesbrecher, trägt aber nicht zu mehr Sicherheit bei“, erklärt Herbert Behrens. „Wer von einer einprogrammierten Verhaltensnorm abweicht, wird mit der neuen Technologie automatisch Verdächtiger“.

„In zahlreichen Projekten werden Unternehmen und Institute begünstigt, die auch militärische Anwendungen entwickeln. Die Bundesregierung hat nichts dagegen, wenn die Forschungen von den Beteiligten zu Geld gemacht werden. Dies ist eine Zweckentfremdung der vermeintlich ‚zivilen Sicherheitsforschung‘ zugunsten der Rüstungsindustrie“, kritisiert Andrej Hunko. „Wie beim Staatstrojaner will die Bundesregierung nicht einmal über die Funktionsweise der Spionage im öffentlichen Raum Bescheid wissen: Es handele sich bei den Produkten um eine ‚Black Box‘, deren innerer Aufbau dem Firmengeheimnisse unterliegt“.

„Mehrere dieser Forschungsprojekte wurden bereits öffentlich getestet, auch personenbezogene Daten wurden erhoben“, erklären die Abgeordneten. „An der Universität Hannover wurde beispielsweise die Vorhalle überwacht. Lediglich Schilder wiesen auf den Bereich hin. Weitere Testläufe, auch an Flughäfen, sind geplant. Sie sollen die ‚grundsätzliche Machbarkeit der erforschten Systeme‘ beweisen. Nach Änderungswünschen der beteiligten Kriminalämter werden die Anwendungen dann für deren Wünsche maßgeschneidert. Dann können vermeintlich Verdächtige in einer ‚Bewegungsspur‘ aus Daten mehrerer Kameras zurückverfolgt werden.

Der technische Machbarkeitswahn behauptet sogar die Möglichkeit von ‚Prognosen‘ für zukünftiges Verhalten.

Projekte dieser Art bedürfen einer ausführlichen Problemanalyse, die nicht nur Polizeibehörden oder der Industrie überlassen werden kann. Stattdessen müssen die tief in die Privatsphäre eingreifenden Vorhaben auf ihren Gehalt zur Beeinträchtigung von Grundrechten überprüft werden.

Wir fordern deshalb, jene unabhängige Stimmen aus den Bereichen Datenschutz, Bürgerrechte und Netzpolitik anzuhören, die hiermit seit Jahren befasst sind und ihre Kritik vortragen“.

Download der Antwort der Bundesregierung zur Anfrage „Forschungen zum Einsatz von automatisierter Mustererkennung und Biometrie zum Aufspüren von ‚bedrohlichem Verhalten‘“: http://www.andrej-hunko.de/start/download/doc_download/319-forschungen-zum-einsatz-von-automatisierter-mustererkennung-und-biometrie-zum-aufspueren-von-bedrohlichen-verhalten

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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