Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

GCHQBundeskanzlerin Angela Merkel eröffnete am gestrigen Sonntag die Cebit in Hannover. Eingeladen war auch der britische Premierminister David Cameron. Unter dem Gesichtspunkt der guten geheimdienstlichen Zusammenarbeit Deutschlands und Großbritanniens ist der gemeinsame Auftritt höchst delikat: Edward Snowden hatte ja letzte Woche vorm Europaparlament an die Aufweichung des G10-Gesetzes erinnert, die nach Medienberichten auf Initiative des britischen Geheimdienstes GCHQ zurückgeht.Das G10-Gesetz regelt die Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND) zum Abhören der Telekommunikation.

Im November schrieben der Guardian und die Süddeutsche, Geheimdienste Großbritanniens hätten sich mit deutschen Partnern beraten wie Gesetzesbeschränkungen zum Abhören von Telekommunikation "umschifft" oder anders ausgelegt werden könnten ("The document also makes clear that British intelligence agencies were helping their German counterparts change or bypass laws that restricted their ability to use their advanced surveillance technology"; "making the case for reform"). Die Digitale Gesellschaft hat in einem prima Beitrag erklärt, wie das einzuordnen ist.

Wir hatten dazu bereits im November nachgefragt, die Bundesregierung dementiert - das war zu erwarten. Der Bundesnachrichtendienst und das GCHQ träfen sich aber regelmässig, zu dem Themen gehöre auch der "Austausch von Ergebnissen aus der Fernmeldeaufklärung". Und wirklich: Der BND habe dabei das Artikel-10-Gesetz thematisiert - angeblich allerdings brav auf die "Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben" hingewiesen. Ich bezweifele das.

Über das als streng geheim deklarierte Papier der NSA, worin die Bundesregierung wegen ihres laxen Umgangs mit dem G-10-Gesetz gelobt wird ("Die deutsche Regierung hat ihre Auslegung des G-10-Gesetzes geändert, um dem BND mehr Flexibilität bei der Weitergabe geschützter Daten an ausländische Partner zu ermöglichen", berichtet vom SPIEGEL am 1. November) will die Bundesregierung aber nicht mehr wissen, als in den Pressemeldungen steht. Das bedeutet aber, dass ihr das Papier zuvor ebenfalls bekannt war!

Ob der BND wirklich "flexibler" bei der Weitergabe von Daten agiere, wird gekontert mit "Der BND agiert im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften". Derartige Antworten bringen uns natürlich nicht weiter.

Markus Beckedahl hatte vorgestern bei N24 die neuerliche Bekräftigung Snowdens kommentiert, wonach das G10-Gesetz mehrfach geändert worden sei. Hierüber berichtete das MDR-Magazin FAKT im November: Seitens des BND sei "der gesamte Datenverkehr [des Internets] per Gesetz zu Auslandskommunikation erklärt [worden]", da dieser "ständig über Ländergrenzen fließen würde", und die Kommunikation könne dann vom BND abgehört werden, ohne sich an die Beschränkungen des G-10-Gesetzes zu halten.

Auch hierzu hatten wir gefragt und bekamen zu hören: "Die Aussage trifft nicht zu und wird vom BND nicht vertreten".

Weiters wird uns erklärt, wie der BND den Datenverkehr abschnorchelt: Einfliessen würden "geeignete Suchbegriffe, angeordnetes Zielgebiet, angeordnete Übertragungswege, angeordnete Kapazitätsbeschränkung".

Übrigens hatte der Vorsitzende des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und inneres im Europaparlament nicht nur Snowden, sondern auch den Präsidenten des BND eingeladen um die mögliche Verwicklung des BND in die NSA-Affäre aufzuklären. Die Einladung erfolgte schon am 14. Oktober, bis zu seiner Absage ließ sich der BND aber 5 Wochen Zeit. Die mir auf Nachfrage mitgeteilte Begründung ist hanebüchen:

"Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Anhörungen ausschließlich vom Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments abgehalten wurden. Einen nichtständigen Untersuchungsausschuss, wie ihn Art. 226 AEUV vorsieht und Art. 185 der Geschäftsordnung des Parlaments näher definiert, hat es in diesem Zusammenhang nicht gegeben.

[...] Zudem ist die nachrichtendienstliche Tätigkeit ausdrücklich keine Unionskompetenz. Nach dem in Art, 5 EUV geregelten Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung sind die Mitgliedstaaten hierfür zuständig. [...]"

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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