Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Ungeachtet zahlreicher Verletzungen der Menschen- und Bürgerrechte durch ägyptische Sicherheitskräfte verhandelt die Bundesregierung wieder über ein Abkommen zur Polizeizusammenarbeit mit Ägypten. Details sollen aber unter Verschluss bleiben: Weder wollte mir das Innenministerium den Inhalt des deutschen Entwurfs mitteilen, noch erhalte ich Kenntnis über die Gegenvorschläge der Regierung in Kairo. Die Bundesregierung hatte die Verhandlungen wegen der Repression durch Polizei und Militär selbst vor zwei Jahren auf Eis gelegt – auch davon erfuhr ich damals erst auf Nachfrage. Das Innenministerium muss erklären, inwiefern sich diese Koordinaten nun geändert haben sollen. Eine Verbesserung der Menschenrechtslage ist jedenfalls nicht erkennbar“.

Inzwischen wird deutlich, dass die geplante Zusammenarbeit weit über das Abkommen hinausgehen soll. Auf Bitten der ägyptischen Regierung hat das Bundesinnenministerium nämlich im Februar eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen beschlossen. Die „intensivere Zusammenarbeit im Verantwortungsbereich der Bundespolizei“ beinhaltet unter anderem eine „Bekämpfung der illegalen Migration“. Viele Geflüchtete, die in der Europäischen Union Zuflucht suchen, starten von den Küsten in Ägypten, Tunesien oder Libyen. Die Bundespolizei hat seit dem Arabischen Frühling in allen drei Ländern die Grenzpolizei mit Ausrüstung und Ausbildung unterstützt.

In Ägypten soll dies nun intensiviert werden, die Bundespolizei will hierzu unter anderem einen grenzpolizeilichen Verbindungsbeamten entsenden. Bekanntlich reagiert die Europäische Union auf das jüngste und mit Abstand größte Bootsunglück im zentralen Mittelmeer mit einem „Zehn Punkte Plan“, der unter anderem die Zerstörung von Booten noch vor deren Ablegen vorsieht. Schon letztes Jahr hatte die italienische EU-Präsidentschaft hierfür vorgeschlagen, in Nordafrika europäische Polizeizentren einzurichten. Es ist möglich, dass das Bundesinnenministerium die Anwesenheit der Bundespolizei in Ägypten und Tunesien nutzen wird um entsprechende Maßnahmen einzufädeln.

Großveranstaltungen und „Antiterrorkampf“

Weitere Vorhaben der Bundespolizei in Ägypten betreffen die polizeiliche Handhabung von Großveranstaltungen, darunter auch Fußballspielen. Dies ist insofern höchst bedenklich, als dass sich diese wohl gegen Anhänger/innen von Fußballclubs richten. In der Vergangenheit waren diese auch politisch in Erscheinung getreten, etwa zum Sturz der Regierungen Mubarak oder Mursi.

Auch das Bundeskriminalamt (BKA) kooperiert mit den ägyptischen Behörden, offizielles Ziel ist die Zusammenarbeit mit Ägypten im „Antiterrorkampf“. Offensichtlich zur Vorbereitung hatte das BKA im Juni 2013 eine „Informationserhebungsreise“ durchgeführt. Gespräche fanden nicht nur mit Polizeibehörden, sondern auch dem militärischen Geheimdienst DMT statt.

Mit dem neu gegründeten (und von Aktivist/innen heftig kritisierten) ägyptischen National Security Sector (NSS) und dem geheimdienstlichen General Intelligence Service plant das BKA jetzt einen „Expertenaustausch auf Fachebene zum Thema ‚Terrorismus-/Extremismusbekämpfung‘“. Stipendiaten des NSS werden in Deutschland ausgebildet. Auch die Staatsschutz-Abteilungsleiter von NSS und BKA wollen sich zum Thema „Terrorismusbekämpfung“ austauschen. „Terrorismus“ und „Extremismus“ sind aber bekanntlich Containerbegriffe, die immer auch gegen die Opposition in Anschlag gebracht werden. Das BKA hat hier Erfahrung: 2010, wenige Monate vor dem Sturz von Mubarak, waren ägyptische Polizisten in der Überwachung des Internet ausgebildet worden. Ein Schwerpunkt war die Informationssammlung in Sozialen Netzwerken, die bekanntlich bei den Revolten in Nordafrika eine wichtige Rolle spielte.

Verfolgung von Homosexuellen

Ägyptens Polizei zählt immer noch zu den repressivsten Behörden im Nahen Osten. Ich sehe es äußerst kritisch, wenn sich die Bundespolizei nun zur Handlangerin des Regimes von Ägyptens neuem Präsident Abdel Fattah el-Sisi  macht. Nicht nur Blogger/innen und Aktivist/innen werden von Militär und Polizei verfolgt, sind in Haft oder sehen sich schweren Anklagen gegenüber. Vergangenen Sommer schrieb das Magazin Cairo Scene, dass Beamte die unter Homosexuellen beliebte App „GrindR“ nutzen, um sich unter Vorspiegelung einer Kontaktanbahnung mit Männern zu treffen und diese dann misshandeln und festnehmen. Im Dezember hatte die Polizei in Anwesenheit einer homophoben Moderatorin eine Razzia in einem Badehaus durchgeführt und 26 Männer unter dem Vorwurf der Homosexualität verhaftet. Die unverpixelten Bilder der Festgenommen wurden dann von einem staatsnahen Fernsehsender ausgestrahlt. Im Februar waren sieben weitere Männer wegen des Praktizierens von Homosexualität verhaftet worden.

Die willfährige Zusammenarbeit mit der ägyptischen Polizei fällt verfolgten Aktivist/innen, Blogger/innen, Homosexuellen und politischen Gruppen in den Rücken. Besonders zynisch sehe ich die Mitteilung der Bundesregierung, die Unterstützung erst zu stoppen wenn Beweise für einen „Missbrauch des vermittelten Wissens“ vorlägen. Ein Gespräch mit Nichtregierungsorganisationen würde Hunderte Fälle von Menschenrechtsverletzungen und Justizwillkür zutage fördern. Noch vor den Sommerferien will Ägyptens Präsident el-Sisi die deutsch-ägyptische Kooperation mit einer Reise nach Berlin befördern. Gemeinsam mit ägyptischen Aktivist/innen wollen wir diesen Staatsbesuch nutzen, die Menschenrechtsverletzungen des Regimes öffentlich zu machen und die Polizeikooperation zu kritisieren.

Erschienen am 23.4.2015 im Linksletter

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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