Übergangsregierung befeuert Eskalation - Andrej Hunko live aus Donezk
Die Lage im Osten der Ukraine hat sich heute dramatisch zugespitzt. Mit einem Tag Verspätung hat die ukrainische Übergangsregierung nun doch den angekündigten Sondereinsatz gegen prorussische Demonstranten gestartet. Eine international kontrovers gesehene Aktion. Marcel Joppa sprach für die STIMME RUSSLANDS am Telefon mit dem Linken-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko, der sich zurzeit in Donezk befindet.
Herr Hunko, Sie sind mit dem EU Ausschuss zurzeit in Donezk, was bekommen Sie einerseits von prorussischen Demonstranten, aber auch von ukrainischen Truppenbewegungen mit?
Wir sind hier mit dem Europaausschuss des Bundestages, wir haben hier eine Reihe von Gesprächen geführt. Unter anderem mit dem Gouverneur der Region und auch mit dem Bürgermeister von Donezk. Wir sind auch gerade an dem Gebäude gewesen, wo sich die LEute versammeln, rund um das besetzte Gebäude Stadtverwaltung. Und wir haben auch mit dem Demonstranten hier gesprochen. Also die Menschen sind besorgt. Zum einen erkennen sie die Regierung in Kiew nicht an. Sie sagen, sie ist illegitim, eine Regierung aus Nationalisten und Faschisten. Und zum Anderen fordern sie vor allen Dingen ein Referendum für eine föderalere Struktur der Ukaine. Also es ist nicht so, dass es prorussische Separatisten sind, oder gar Terroristen. Es geht hier vor allem um eine Dezentralisierung der Ukraine.
Wirtschaftssanktionen gegen Russland? Nicht in meinem Namen!
Seit gestern nehme ich an einer Delegationsreise des EU-Ausschusses des Bundestags nach Donezk/ Ukraine teil. Als Einziger der deutschen Delegation des Bundestag bin ich heute zum Gebäude der besetzten Stadtverwaltung gegangen und habe mit den Demonstrant/innen gesprochen. Sie sagen, dass sie nicht von "Faschisten und Nationalisten" aus Kiev regiert werden wollen und fordern vor allem ein Referendum für mehr Autonomie der Regionen.
Ich finde es unerträglich, dass sie jetzt als "Terroristen und Separisten" bezeichnet werden und die Armee gegen sie eingesetzt werden soll. Vieles spricht dafür, dass diese Linie im Zusammenhang mit dem geheimen Besuch des CIA-Chefs John Brennan am Wochenende in Kiev steht.
Ohne konkrete Belege einer russischen Beteiligung an den Besetzungen forderte der Delegetationsleiter Krichbaum nun Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die vor allem auch die Region hier im Südosten der Ukraine treffen würde, die sehr stark von der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Russland lebt. Nicht in meinem Namen!
»Was erwartet wird, ist der Austausch« - Interview zur ukrainischen Linken
Ukraine: Die Linke ist so demoralisiert, daß von ihr momentan nicht viel zu erwarten ist. Ein Gespräch mit Andrej Hunko. Interview: Peter Wolter
Sie haben am Wochenende in Kiew zahlreiche Gespräche geführt – wie ist die Lage der Linken dort?
Nicht gut. Die Zentrale der Kommunistischen Partei z. B. war seit dem Umsturz am 22. Februar von Faschisten besetzt. Vor drei Tagen wurde sie geräumt, nach Aufforderung durch die Regierung. Seitdem wird das Gebäude offenbar nicht mehr benutzt, es wird von der Polizei bewacht und die faschistischen Symbole, die die Besetzer auf die Fassade geschmiert hatten, sind übermalt worden. Ähnliche Vorkommnisse wie diese Besetzung hat es auch anderswo gegeben, vor allem im Westen des Landes. Ich habe starke Zweifel, ob die Partei zur Zeit arbeitsfähig ist.
Die Geschichte der Räumung des „Refugee Camps“ am Berliner Oranienplatz muss neu erzählt werden
„Das am Dienstag geräumte Berliner ‚Refugee Camp‘ wurde keinesfalls so freiwillig geräumt, wie es Politiker/innen von Bezirk und Senat behaupten. Davon konnte ich mich gestern im Gespräch mit Napuli Paul Langa und weiteren hungerstreikenden Aktivist/innen überzeugen, die den Oranienplatz als letzte der Geflüchteten besetzt halten“, erklärt der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko anlässlich eines Besuches bei Frau Langa.
Europarat sollte frei von geostrategischen Interessen sein
In der Debatte zum Ausschluss der russischen Delegation und zur Entziehung ihrer Stimmrechte im Europarat hat sich Andrej Hunko gegen diese Eskalationsschritte und für einen konstruktiven Dialog mit Russland ausgesprochen. Hier ist der kurze Redebeitrag vom 10. April dokumentiert:
Meine Damen und Herren!
Der Europarat ist ein einzigartiges Gremium, dass auf Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie basiert und in dem sowohl Russland als auch andere osteuropäische Staaten und EU-Länder Mitglied sind. Diese Einrichtung ist von historischer Bedeutung. Es gibt kein anderes Gremium, das über diese Zusammensetzung verfügt. Dementsprechend sollte es auch frei von geostrategischem Interesse sein. Ich bitte das zu berücksichtigen, wenn wir über den eventuellen Ausschluss einer Delegation diskutieren und abstimmen müssen.
Andrej Hunko zu politischen Gesprächen in der Ukraine
Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (DIE LINKE) wird sich von Samstag bis Mittwoch zu politischen Gesprächen in der Ukraine aufhalten.
Zunächst wird er am Sonntag an einer Konferenz unter dem Titel „Die Linke und der Maidan“ teilnehmen. Im Rahmen der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung geförderten Konferenz kommen Aktivist/innen aus der Ukraine sowie Vertreter/innen linker Organisationen und Parteien aus der EU und aus Russland zu Debatten zusammen.