Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Welche Antworten bzw. sonstigen Hinweise kann die Bundesregierung ein Jahr nach den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden zur weltweiten Spionagepraxis von US-Behörden über die erhoffte „zeitnahe Beantwortung“ auf die zahlreichen „übermittelten Fragenkataloge“ mitteilen (Plenarprotokoll 18/25; sofern noch keine US-Angaben mitgeteilt werden können, bitte auch darlegen, auf welche Weise die Bundesregierung überhaupt auf eine Beantwortung drängt und, wie vom Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Dr. Ole Schröder, Anfang April 2014 bekräftigt, sie entsprechenden Druck ausübt), und inwiefern bzw. in welchem Umfang hat die Bundesregierung mittlerweile zwar Antworten erhalten oder Erkenntnisse gewonnen, sich allerdings dagegen entschieden, diese „dann auch dem Parlament öffentlich bekannt geben (zu) können“?

http://youtu.be/xX7V1TP3KXw

Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Hunko, das Bundesministerium des Innern hat mit Schreiben vom 11. Juni, mit Schreiben vom 26. August und mit Schreiben vom 24. Oktober 2013 Fragen an die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin gerichtet. Auf keines dieser Schreiben – wie in den Medien, glaube ich, schon bekannt geworden ist – liegt bisher eine entsprechende Antwort vor.

Die Botschaft des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland in Berlin wurde mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 24. Juni 2013 um Beantwortung eines Fragenkatalogs gebeten. Sie antwortete am gleichen Tag, dass die britische Regierung grundsätzlich zu nachrichtendienstlichen Angelegenheiten nicht öffentlich Stellung nehme; derartige Gespräche seien der Ebene der Nachrichtendienste vorbehalten.

Weitere Fragen wurden der britischen Botschaft mit Schreiben vom 5. November 2013 gestellt. Darauf wurde am 7. November, zwei Tage später, geantwortet; es wurde für die weitere Sachverhaltsaufklärung erneut auf die Ebene der Nachrichtendienste verwiesen.
Die damalige Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, hat sich bereits kurz nach dem Bekanntwerden der Vorgänge mit Schreiben vom 12. Juni 2013 an US-Justizminister Eric Holder gewandt und ihn darum gebeten, die Rechtsgrundlage für Prism und seine Anwendung zu erläutern. Sie hat US-Justizminister Holder mit Schreiben vom 24. Oktober 2013 an die gestellten Fragen erinnert. Eine Antwort des US-Justizministeriums an das deutsche Justizministerium liegt nach unserem Wissen bisher nicht vor.

Mit Schreiben vom 24. Juni 2013 hat die damalige Bundesministerin der Justiz ebenfalls kurz nach dem Bekanntwerden der entsprechenden Vorgänge, den britischen Justizminister Christopher Grayling und die britische Innenministerin Theresa May gebeten, die Rechtsgrundlage für Tempora und dessen Anwendungspraxis zu erläutern. Der britische Justizminister hat auf das Schreiben der damaligen Bundesministerin der Justiz mit seinem Schreiben vom 2. Juli 2013 geantwortet. Darin erläutert er die rechtlichen Grundlagen für die Tätigkeit der britischen Nachrichtendienste und für deren Kontrolle.

Vertreter der Bundesregierung haben sich in zahlreichen Gesprächen mit Vertretern der amerikanischen und der britischen Regierung für eine zeitnahe Beantwortung der übermittelten Fragenkataloge eingesetzt und im Rahmen dieser Gespräche auch Sachverhalte erörtert, die Gegenstand der Fragenkataloge waren. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass sich die Fragestellungen mit der Aufklärungsarbeit des 1. Untersuchungsausschusses der 18. Wahlperiode, die von der Bundesregierung unterstützt wird, überschneiden.

Vizepräsident Peter Hintze:

Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege Hunko?

Andrej Hunko (DIE LINKE):

Ja. – Vielen Dank, Herr Dr. Krings. Morgen ist, glaube ich, der Jahrestag der Snowden-Enthüllungen. Es gab, wie Sie gerade erwähnt haben, eine Reihe von Schreiben der Bundesregierung an die USA, die offenbar alle, wenn ich Sie richtig verstanden habe, nicht beantwortet worden sind. Meine Frage ist: Sind Sie der Meinung, dass hier mit genug Nachdruck vorgegangen wurde, oder welche Mittel sehen Sie, noch zu einer Antwort zu kommen? Oder sind Sie der Meinung, dass es bei dieser Nichtbeantwortung bleiben wird? Dann müsste man ja sagen, dass es keine Antwort geben wird, und das entsprechend kommunizieren.

Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:

Herr Abgeordneter, ich teile die Feststellung – das habe ich ja im Prinzip detailliert, wie es gewünscht war, aufgelistet –: Es gab Schreiben, die seitens der Amerikaner unbeantwortet geblieben sind. Von daher habe ich bereits in einer Bundestagsrede vor einigen Monaten gesagt, dass das Antwortverhalten der Amerikaner im Hinblick auf diese konkreten Fragen absolut unbefriedigend ist; das ist offensichtlich. Die Briten haben geantwortet, allerdings nur in formaler Hinsicht und auf den Verweis auf die nachrichtendienstlichen Verbindungslinien und Gesprächskanäle beschränkt. Insofern sind die Antworten auf diese konkreten Fragestellungen in der Tat unbefriedigend.

Es gibt keine völkerrechtlichen Zwangsmittel, die da in Betracht kommen. Es gibt allerdings durchaus Gespräche zwischen den Nachrichtendiensten, auch zwischen den Regierungen. Der Bundesinnenminister war erst kürzlich in den Vereinigten Staaten. Über die Themen wird also gesprochen, übrigens – das kann ich bei dieser Gelegenheit feststellen – eher in den USA als in Großbritannien, wenn Sie mir diese persönliche Einschätzung gestatten. Die Kritik aus Deutschland – seitens der Bundesregierung, aber auch aus anderen Kreisen in Deutschland – hat durchaus Widerhall gefunden. Es gab sehr konkrete Ankündigungen des amerikanischen Präsidenten, die natürlich noch nicht im Einzelnen umgesetzt sind, dass sich Dinge verändern werden, auch im Hinblick auf den Schutz nichtamerikanischer Staatsbürger vor entsprechenden Aktivitäten. Es gibt insofern schon Widerhall, aber eben keine Beantwortung der konkreten Fragestellungen; dafür fehlen uns in der Tat denkbare Zwangsmittel.

Vizepräsident Peter Hintze:

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage, Herr Hunko? – Bitte.

Andrej Hunko (DIE LINKE):

Noch einmal die konkrete Frage: Rechnen Sie noch mit einer Beantwortung, oder rechnen Sie nicht mehr mit einer Beantwortung der Fragen?

Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:

Ich rechne nicht mit einer Beantwortung der konkreten Schreiben. Ich rechne aber damit – und bin da sogar sehr zuversichtlich –, dass wir über die Themen, die dort angesprochen werden, weiter im Gespräch bleiben und es dort auch weitere Reaktionen geben wird und auch Veränderungen erfolgen werden.

Vizepräsident Peter Hintze:

Eine Frage dazu vom Kollegen Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke, Herr Staatssekretär. Da bin ich gerade noch rechtzeitig gekommen.
Ich erinnere mich an den letzten Sommer ganz gut: Da waren in der Tat sowohl Minister als auch die Chefs der Dienste in den USA. Sie kamen wieder und haben gesagt: Die Fragen, die die Bundesregierung schriftlich an die US-Regierung gestellt hat, werden – so hieß es erst – innerhalb von sechs Wochen beantwortet, weil zuvor noch einige Dokumente heruntergestuft werden müssen. Dann waren sie wieder da, und als sie zurückkamen, wurde gesagt: Das dauert noch ein bisschen. Der Termin für die Beantwortung wurde dreimal verschoben. Der Endtermin, den ich mitbekommen habe, war Mitte Dezember 2013, also kurz vor Weihnachten. Das war dann aber auch nicht der Fall.
Herr de Maizière war jetzt dort zu Besuch, was sicher richtig und wichtig war. Hat er bei dieser Gelegenheit etwas dazu gesagt? Hat er gefragt, warum sie ihre festen Versprechen nicht einhalten? Oder waren das keine Versprechen? Sie haben selber gesagt, sich auch darüber geärgert zu haben, dass es keine Antworten gibt. Versucht man, der Sache auf den Grund zu gehen, warum das nicht der Fall ist und wie das entschuldigt wird?

Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:

Ich kann und will jetzt keine Einzelheiten aus den vertraulichen Gesprächen des Ministers mit amerikanischen Stellen berichten. Wichtig und richtig ist aber – ich glaube, das ist heute im Innenausschuss auch hinreichend zum Ausdruck gekommen –, dass genau die Themen, die Gegenstand der schriftlichen Anfragen waren, auch in den Gesprächen des Ministers zur Sprache gekommen sind. Über diese Themen wird also gesprochen, und zwar nicht nur auf dieser Ebene, sondern auch auf fachlicher Ebene zwischen den Ministerien und den Nachrichtendiensten.

Dass die Briefe mit den konkreten Anfragen unbeantwortet geblieben sind, halte auch ich für unbefriedigend. Das heißt aber nicht, dass wir nicht zuversichtlich sind, bei diesen Themen weiterzukommen und Informationen zu erhalten. Im Übrigen wäre es auch noch nicht befriedigend und keine hinreichende Antwort auf die Briefe gewesen, wenn bestimmte Rechtsregeln und Entscheidungen von amerikanischen Gerichten heruntergestuft worden wären, was einmal in Aussicht gestellt worden ist.

Es ist jetzt wichtig, dass wir den Dialog mit den Amerikanern vertiefen. Dafür gibt es unter anderem den Cyber-Dialog, den das Auswärtige Amt mit den Amerikanern jetzt beginnt, um in den Themen weiterzukommen, um Lösungen zu finden und um die amerikanische Praxis gegenüber deutschen Staatsbürgern zu verändern. Darum geht es jetzt, nicht so sehr darum, sklavisch zu sagen: Wir haben bestimmte Fragen in den Briefen gestellt, die jetzt beantwortet werden müssen. – Das wäre zwar wünschenswert und richtig; aber mir geht es jetzt um den Erfolg in der Sache und nicht um diese drei Briefe aus dem letzten Jahr.

Plenarprotokoll 18/38

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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