Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Die Lieferung humanitärer Hilfe nach Venezuela wird derzeit stark politisiert, die USA drohen mit einer Militärintervention, falls Hilfsgüter, die an der kolumbianisch-venezolanischen Grenzen lagern, nicht ins Land gelassen werden. Doch selbst Organisationen wir die UNO und das Rote Kreuz sprechen diesen Lieferungen den humanitären Charakter ab und kritisieren deren Politisierung. In der Fragestunde des Bundestags am 20.02.2019 haben Abgeordnete der Linksfraktion die Bundesregierung zu diesem Thema befragt. Dabei geht es unter anderem um die immer wieder getätigte Falschaussage, die Regierung Maduro lasse keine Hilfe ins Land.

Wir kommen jetzt zur Frage 7 der Kollegin Heike Hänsel, die leibhaftig anwesend ist:

Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse, ob die EU-Kommission – nach meiner Kenntnis – die Sorge geäußert hat, dass die Debatte um humanitäre bzw. die Gewährung von humanitärer Hilfe inzwischen zu einem politischen Instrument der politischen Auseinandersetzung um Venezuela geworden ist, sodass die EU-Kommission gefordert hat, entsprechende Organisationen wie Rotes Kreuz, Caritas etc. mit der huma­nitären Hilfe zu betrauen, weil diese politisch unabhängig sind, und inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse, dass Hilfsorganisationen wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und die Caritas die Initiative der Oppo­sition in Venezuela – namentlich des Parlamentspräsidenten Juan Guaidó – so skeptisch sehen, dass sich das IKRK an den Lieferungen nicht beteiligen will, weil die Organisation eine politische Instrumentalisierung fürchtet (www.fr.de/politik/ venezuela-menschen-unter-machtkampf-zwischen-maduro-guaid-leiden-11743158.html)?

Frau Müntefering, Sie sind dran.

Michelle Müntefering, Staatsministerin im Auswär­tigen Amt:

Frau Hänsel, der Bundesregierung ist bekannt, dass die Europäische Kommission auf das Risiko einer In­strumentalisierung der humanitären Hilfe für Venezuela hingewiesen hat. Die Bundesregierung stimmt mit der Europäischen Kommission überein, dass humanitäre Hilfe unabhängig von politischen Erwägungen bedarfs­orientiert zu leisten und von anerkannten humanitären Hilfsorganisationen, also Nichtregierungsorganisationen wie dem Roten Kreuz, der Caritas und anderen, umzu­setzen ist, um die humanitären Prinzipien, insbesondere Neutralität und Unabhängigkeit, zu gewährleisten. Der Bundesregierung liegt dazu ein offener Brief der Rot­kreuz-Bewegung vor, der besagt, dass sie ihr ausschließ­lich humanitäres Mandat in Einklang mit den humanitä­ren Prinzipien ausübt.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank. – Rückfrage, Frau Hänsel?

Heike Hänsel (DIE LINKE):

Danke schön. – Dazu habe ich eine Nachfrage; denn die humanitäre Hilfe wird wirklich zu einer großen Pro­pagandaschlacht. Das erleben wir.US-Container stehen in der kolumbianischen Grenzstadt Cúcuta, und das läuft auf einen Showdown am 23. Februar hinaus.

Jetzt sagten Sie, das Rote Kreuz habe die Möglichkeit, unabhängig humanitäre Hilfe neutral zu leisten. Mei­ne Frage deswegen an die Bundesregierung: Sie haben 5 Millionen Euro für die humanitäre Hilfe in Venezue­la beschlossen. Wir fragen immer, ob das Geld ins Land kommt. Die Bundesregierung antwortet seit mindestens zwei Wochen, sie könne keine humanitäre Hilfe leisten, weil es keine unabhängigen Organisationen vor Ort gebe und weil die Regierung Maduro es verbiete. Gleichzeitig sind das Internationale Rote Kreuz und auch UN-Orga­nisationen im Land, die im letzten Jahr über 1 Million Venezolaner versorgt haben. Warum gibt die Bundesre­gierung die 5 Millionen Euro nicht an das Rote Kreuz oder an die UN?

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Müntefering.

Michelle Müntefering, Staatsministerin im Auswär­tigen Amt:

Frau Kollegin, die Frage, wann wir die ersten Hilfs­güter nach Venezuela bringen können, also die Frage des Zeitpunkts der Lieferung humanitärer Hilfsgüter, ist der­zeit nicht zu beantworten. Eine Erlaubnis der venezola­nischen Regierung ist Voraussetzung für die Lieferung humanitärer Hilfsgüter. Die wichtigste Voraussetzung ist dann der Zugang zu den Hilfsbedürftigen. Ist dieser möglich, werden die Beschaffung und die Verteilung von Hilfsgütern, abhängig von deren Verfügbarkeit im Land selbst und in der Region, auch bedarfsgerecht vorgenom­men werden.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank. – Haben Sie eine zweite Rückfrage?

Heike Hänsel (DIE LINKE):

Ja, ich habe noch eine Rückfrage. – Ich möchte noch einmal wiederholen, dass das Rote Kreuz bereits in Ve­nezuela ist und von daher keine neue Erlaubnis braucht. Im Gegenteil: Sie brauchen mehr Geld, genauso wie der UNHCR. Die UN hat einen Aufruf gemacht. Sie brauchen 109 Millionen Dollar für die venezolanische Bevölkerung, aber weniger als die Hälfte ist finanziert. Das heißt, sie haben die Möglichkeiten, aber die Bun­desregierung hält diese 5 Millionen Euro zurück und gibt sie nicht an die Organisationen, die im Land sind. Vielmehr sagen Sie – hier möchte ich einen Tweet der deutschen Botschaft in Caracas vorlesen –: Sie fangen jetzt an, die 5 Millionen Euro zu verteilen. – Sie nennen das Beispiel einer privaten NGO, einer Suppenküche, in einem Stadtteil von Caracas. Man sieht den deutschen Botschafter mit Oppositionspolitikern aus Venezuela, die dort humanitäre Hilfe leisten. Das ist eine klare politische Instrumentalisierung, und ich frage mich, wie es dazu kommt, dass sich die Bundesregierung an diesem Spiel der US-Amerikaner beteiligt.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Müntefering.

Michelle Müntefering, Staatsministerin im Auswär­tigen Amt:

Zunächst einmal liegt der Bundesregierung eine wei­tere Erklärung des Forums internationaler Nichtregie­rungsorganisationen in Kolumbien vor, in der vor einer politischen Instrumentalisierung der humanitären Hilfe auch für Venezuela gewarnt wird. Das Schreiben vom 7. Februar wurde auch von Caritas international unter­stützt. Wir bekennen uns zur Einhaltung der humanitären Prinzipien. Die angekündigten Mittel für die humanitäre Hilfe in Venezuela werden wir dann einsetzen, wenn der humanitäre Zugang und entsprechende Rahmenbedin­gungen gegeben sind. Hier stehen wir sowohl in engem Kontakt mit anderen Gebern als auch mit den Hilfsor­ganisationen. Wir treffen aktuell auch Vorbereitungen dafür, um sehr schnell reagieren zu können, sobald der Zugang möglich ist. Und ja, wir drängen auch darauf, dass Maduro diesen Zugang rasch gewährt.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank. – Herr Kollege Hunko hat eine Rück­frage.

Andrej Hunko (DIE LINKE):

Vielen Dank. – Frau Müntefering, wir stimmen ja offenbar darüber ein, dass das Rote Kreuz und die UNO-Hilfsorganisationen im Land sind und humanitäre Hilfe leisten. Sie sagen, die Bundesregierung warte jetzt noch auf andere Möglichkeiten, um humanitäre Hilfe zu leisten. Kann man das so verstehen, dass Sie die UNO und das Rote Kreuz nicht als mögliche Partner für huma­nitäre Hilfe ansehen?

Michelle Müntefering, Staatsministerin im Auswär­tigen Amt:

Wie gesagt, wir sind mit den Hilfsorganisationen, auch mit den genannten, ausdrücklich in Kontakt. Die Bun­desregierung wird die bereitgestellten Mittel einsetzen, wenn Unabhängigkeit, Unparteilichkeit gewährleistet sind, wenn der Zugang gewährt ist und die Möglichkeit und die Voraussetzungen für Lieferungen gegeben sind.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank. – Kollege Straetmanns hat noch eine Frage.

Friedrich Straetmanns (DIE LINKE):

Ich bin aus Ihrer Antwort nicht ganz schlau geworden. Also, entweder wir haben diese Kanäle über das Inter­nationale Rote Kreuz, um dort humanitäre Hilfe leisten zu können, oder Sie warten auf eine eventuelle Antwort der Regierung in Venezuela, um über andere Kanäle zu helfen. Sie werden mir zustimmen, dass es den hungern­den Menschen relativ egal ist, auf welchem Wege ihnen geholfen wird. Ich frage Sie: Welche konkreten Ermitt­lungsersuchen oder Anfragen haben Sie an die Regierung von Venezuela gerichtet, um dort humanitäre Hilfe leis­ten zu können?

Michelle Müntefering, Staatsministerin im Auswär­tigen Amt:

Das möchte ich Ihnen gerne im Einzelnen schriftlich nachreichen.

 

 Quelle: Plenarprotokoll 19/82 vom 20.02.2019

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko