Verdeckte Ermittler in der Europäischen Ermittlungsanordnung in Strafsachen (EEA)
Mündliche Frage von Andrej Hunko an die Bundesregierung zur Exklusion von Verdeckten Ermittlern aus der Europäischen Ermittlungsanordnung in Strafsachen
Welche konkreten Erfahrungen des Bundeskriminalamts und von Landeskriminalämtern bzw. deren Innenministerien bewogen die Bundesregierung zusammen mit Großbritannien in der Ratsarbeitsgruppe zur Zusammenarbeit in Strafsachen hinsichtlich der Debatte um eine einheitliche Europäische Ermittlungsanordnung (EEA) zu fordern, die zunehmenden grenzüberschreitenden Operationen verdeckter Ermittler unbedingt aus der abzuschließenden Vereinbarung für die einheitliche justizielle Zusammenarbeit im Bereich grenzüberschreitender Ermittlungen herauszunehmen, und wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Spitzelausleihe dennoch EU-weit einheitlichen Kriterien folgt, insbesondere bezüglich von Rechtsbehelfen der 27 Mitgliedstaaten, als auch einer transparenten, an Bürgerrechten orientierten Praxis, straf- und zivilrechtliche Verstöße wie jene des britischen Polizisten Mark Kennedy aufzuklären und zu ahnden, anstatt diese lediglich mit den „zuständigen Stellen“ zu „erörtern“ (Bundestagsdrucksache 17/5736)?
Antwort des Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche vom 5. Oktober 2011:
Nach dem Vorschlag für eine „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Ermittlungsanordnung in
Strafsachen“ (EU-Ratsdokument 9288/10) muss eine solche Europäische Ermittlungsanordnung (EEA) einer Justizbehörde eines Mitgliedstaates
in einem anderen Mitgliedstaat grundsätzlich anerkannt und innerhalb einer bestimmten Frist vollstreckt werden (Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung). Die Verhandlungen hierüber in Brüssel sind aber noch nicht abgeschlossen.
Aus Sicht der Bundesregierung eignen sich grenzüberschreitende verdeckte Ermittlungen (verdeckte Ermittler und Vertrauenspersonen) nicht für die Regelung in diesem Rechtsinstrument. Die Einführung der EEA dient der vereinfachten Anerkennung und beschleunigten Umsetzung von Ermittlungsersuchen eines Mitgliedstaats auf
dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates. Die Zustimmung zur Durchführung verdeckter Ermittlungen erfordert aber im ersuchten Staat aufgrund deren Komplexität, Sensibilität und Eingriffstiefe gerade jeweils eine sorgfältige Einzelfallprüfung und -entscheidung.
Aus Sicht der Bundesregierung darf es keine Verpflichtung zur Zulassung ausländischer verdeckter Ermittlungen in Deutschland geben, die nach dem nationalen Recht nicht zulässig wären. Die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in diesem Bereich ist darüber hinaus jeweils einer gesonderten und umfänglichen Abwägungsentscheidung durch die zuständigen deutschen Behörden zu unterwerfen, die auch nicht an formalisierte Fristenvorgaben geknüpft werden sollte. Der zuständigen deutschen Behörde soll es möglich sein, ein diesbezügliches Ersuchen in freier, ungebundener Entscheidung unter jedwedem Gesichtspunkt ablehnen zu können.
Zwar wird derzeit auf EU-Ebene noch über entsprechende Zurückweisungsgründe bei einzelnen Maßnahmen nach der EEA verhandelt. Je nach Ausgestaltung dieser Zurückweisungsgründe sieht die Bundesregierung aber die Möglichkeit, dass es zu einer zu weitgehenden Pflicht für deutsche Behörden zur Zulassung ausländischer verdeckter Ermittlungen in Deutschland kommen könnte. Die Bundesregierung dringt daher gemeinsam mit der Regierung des Vereinigten Königreichs darauf, grenzüberschreitende verdeckte Ermittlungen aus dem Anwendungsbereich der EEA herauszunehmen.
Diesem Ziel, die Einhaltung der innerstaatlichen Voraussetzungen für verdeckte Ermittlungen auf deutschem Hoheitsgebiet sicherzustellen, ist aus Sicht der Bundesregierung Vorrang gegenüber einer EU-weiten Vereinheitlichung der Einsatzkriterien einzuräumen.
Die Bundesregierung berücksichtigt insoweit gemäß Artikel 23 Absatz 3 Satz 2 GG die Stellungnahme des Deutschen Bundestages in der Fassung der von ihm am 7. Oktober 2010 angenommenen (Bundestagsplenarprotokoll 17/65, S. 694 C/D) Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages (Bundestagsdrucksache 17/3234). Dort heißt es hierzu zum Beispiel unter II. 1., dass „die Ausweitung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf die Erhebung nahezu aller Beweisarten, ohne dass es bislang hinreichende Mindeststandards im Strafverfahrensrecht gibt, (...) abzulehnen“ sei.