Rede in der Aktuellen Stunde vom 2. Juli 2014 zur Drohnen-Strategie der Bundesregierung

Die angekündigte „breit angelegte Debatte in Politik und Gesellschaft“ zu bewaffneten Drohnen hat nicht stattgefunden. Doch entgegen der Ankündigung, ethische und rechtliche Fragen vor einer Entscheidung auch in einer gesellschaftlichen Diskussion zu prüfen, wurde die Beschaffung von bis zu 16 dieser Killerwaffen aber längst auf die Schiene gesetzt. Erst gestern erfuhren wir aus der Presse, dass für Kampfeinsätze der Bundeswehr Killerdrohnen zunächst geleast werden könnten – begründet mit einer „Fürsorgepflicht“ für deutsche Soldaten. Hinter dem Schritt steckt aber vielmehr ein Wunsch nach „Fürsorge“ für die deutsche Rüstungsindustrie.


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über den Einstieg in bewaffnungsfähige Drohnen, also über Kampfdrohnen. Die Linke sagt ganz klar Nein zu dieser neuen Entwicklung von Offensivwaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die angekündigte breit angelegte Debatte in Politik und Gesellschaft hat nicht stattgefunden. Wir haben am Montag im Verteidigungsausschuss - kurz vor der Sommerpause, am Rande der Fußball-WM - eine interessante Anhörung gehabt. Aber das ist noch nicht die Debatte, die wir brauchen. Wir brauchen eine ernsthafte gesellschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wird viel über die Fürsorge von Soldaten gesprochen. Das ist natürlich ein berechtigtes Anliegen. Aber ich habe manchmal, auch bei den gegenwärtigen Konzepten, den Eindruck, dass es hier auch um die Fürsorge der europäischen Drohnenindustrie geht.

(Beifall bei der LINKEN)

Dreistellige Millionenbeträge sind schon an deutsche Rüstungskonzerne geflossen. Ich erinnere daran, dass Deutschland ab 2023 auch bis zu vier Drohnen des Typs Global Hawk kaufen will. Die milliardenschweren Riesendrohnen gehören dann zwar zur NATO, werden aber von Deutschland finanziert und betrieben. Wie die bewaffnete Drohnenflotte wären sie dann in Schleswig-Holstein stationiert, wo auch schon die Voraussetzungen geschaffen werden.

(Ingo Gädechens (CDU/CSU): Guter Standort!)

Das Verteidigungsministerium behauptet, man habe sich noch nicht entschieden, ob für die Übergangszeit, für die nächsten zehn Jahre, Drohnen auf dem Markt gekauft oder geleast werden sollen. Wahrscheinlich, hört man aus dem Verteidigungsministerium, sollen Reaper-Drohnen aus den USA geleast werden - Reaper heißt Sensemann; das spricht schon für sich -; aber ab 2023 sollen europäische Rüstungskonzerne in der Lage sein, eigenständig europäische Kampfdrohnen zu produzieren. Das lehnen wir klar ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Übergangszeit ist genau die Zeit, die zum Beispiel das deutsch-französische Luftfahrtunternehmen Airbus Defence braucht, um eine solche Drohne zu entwickeln. Airbus sitzt hierbei mit dem französischen Unternehmen Dassault und dem italienischen Unternehmen Alenia in einem Boot. Fraglich ist nur - das ist gerade in der Diskussion -, ob auch Großbritannien am Bau dieser zukünftigen EU-Langstreckendrohne beteiligt wird und ob auch Länder wie die Türkei mitmachen. Die europäische Drohne, die MALE, könnte in rund zehn Jahren in Serienproduktion gehen und mit Überwachungs- und Aufklärungssensorik, aber auch mit Raketen bestückt werden. Gleichzeitig werden bei der Europäischen Union alle Weichen gestellt, damit auch andere Regierungen zügig über diese bewaffneten Flugroboter verfügen können. Frau Verteidigungsministerin, wieso sorgen Sie nicht dafür, dass auch in der EU und in der NATO eine breite Debatte über die völkerrechtlichen, verfassungsrechtlichen, sicherheitspolitischen und ethischen Fragen stattfindet?

(Beifall bei der LINKEN)

Mehr als 300 Millionen Euro hat die EU bereits in die Drohnenforschung versenkt. Bis 2028 will die EU-Luftfahrtagentur große Drohnen vollumfänglich in die zivile Luftfahrt integrieren. Dabei geht es nicht nur um Zulassung und Zertifizierung großer unbemannter Flugzeuge; geforscht wird auch an der Eignung der bislang nur militärisch genutzten Langstreckendrohnen für polizeiliche und grenzpolizeiliche Zwecke. Auch das ist Teil der Debatte. Es geht nicht nur um Kampfdrohnen, sondern auch darum, dass Drohnen zum Beispiel zur Grenzsicherung eingesetzt werden sollen.

Kampfdrohnen sind als Offensivwaffen konzipiert. Sie senken die politische Hemmschwelle - ich rede jetzt nicht vom Soldaten am Joystick   bei der Entscheidung über Militäreinsätze. Sie führen zur Entgrenzung des Krieges, zeitlich und räumlich. Ich finde, die Bundesregierung sollte sich in internationalen Organisationen dafür einsetzen, dass es eine internationale Konvention zum Einsatz von Drohnen gibt, nicht nur zur Frage der vollautomatisierten Waffen, wie Sie angekündigt haben - was ich begrüße -, sondern auch zur Frage der gezielten Tötungen und des Einsatzes von Kampfdrohnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben gesagt, über 80 Länder haben doch Drohnen; über ein Viertel bewaffnungsfähige Drohnen. Auch das ist ein Grund für eine internationale Debatte, um zu einer Konvention zu kommen. Auch in den USA gibt es gegenwärtig eine sehr kritische Debatte. Daran könnte man anknüpfen. Die Gelegenheit ist günstig, einen solchen Vorstoß zu machen.

Ich sage zum Schluss. Ich wünsche mir, dass Wissenschaftler und Ingenieure ihre Kreativität und ihre Intelligenz für sinnvolle Projekte einsetzen   für den Umstieg auf erneuerbare Energien, gegen den Klimawandel, gegen den Hunger in der Welt  , aber nicht zur Entwicklung automatisierter Tötungsmaschinen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

 

Quelle: Plenarprotokoll 18/45 vom 02.07.2014