Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Bundestagsrede (zu Protokoll) von Andrej Hunko (DIE LINKE) zum Antrag auf Drucksache 18/10629 („Weichen für eine Europäische Union der Abrüstung und des Friedens stellen“) am 15.12.2016

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Welt scheint aus den Fugen geraten und auch die Europäische Union befindet sich in einer tiefgreifenden Krise. Die schwelende Eurokrise wurde nicht gelöst, sondern durch die maßgeblich durch die Bundesregierung erzwungene Austeritätspolitik verschärft – mit verheerenden unsozialen Folgen vor allem im Süden Europas.

In vielen Mitgliedstaaten der EU haben rechte Parteien und Bewegungen Zulauf. In Großbritannien hat sich eine Mehrheit der Menschen dafür entschieden, der EU den Rücken zu kehren und auch sonst wächst die Skepsis gegenüber dem europäischen Integrationsprozess.

Zuletzt hat der Sieg von Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen in den USA für Aufsehen gesorgt.

Die Reaktion in der EU auf diese Entwicklungen könnte falscher nicht sein. Ein „Weiter so“ in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen soll nun ergänzt werden durch einen Militarisierungsschub in allen Mitgliedstaaten und auf EU-Ebene. Ich habe doch sehr den Eindruck, dass hier einige den Knall nicht gehört haben. Sie wollen doch nicht ernsthaft Aufrüstung und Militarisierung als Kitt für die, wie es Kommissionspräsident Juncker genannt hat, „Polykrise“ der EU verwenden? Das wird nicht nur nicht funktionieren; es ist auch brandgefährlich.

Seit dem Fall der Mauer war die Gefahr einer militärischen Konfrontation mit Russland nicht so groß wie heute. Das ist zweifelsohne nicht die alleinige Verantwortung der EU. Aber es war insbesondere der Erweiterungsprozess von NATO und EU nach Osten, der die historische Chance der neunziger Jahre zunichte gemacht hat, eine friedliche Neuordnung Europas nach dem Ende der Sowjetunion zu erreichen. Heute rüstet die NATO an den Grenzen zur Russischen Föderation auf und auch Russland beteiligt sich an der Eskalationsspirale. Es scheint, als hätten einige aus den Verwüstungen des 20. Jahrhunderts nichts gelernt.

Nun soll im Rahmen der EU-Globalstrategie und der misslicherweise „Verteidigungsunion“ genannten Militarisierungspläne die EU noch weiter für die Sicherheits-, Militär- und Rüstungspolitik eingespannt werden. Schon der Lissabon-Vertrag verpflichtet die Mitgliedstaaten bekanntlich zur Aufrüstung. Doch was uns nun erwartet stellt alles Dagewesene in den Schatten.

Unter offenem Bruch von Artikel 41 des EU-Vertrages sollen nun sogar EU-Haushaltsmittel für die Anschaffung von Waffen und vor allem Drohnen verwendet werden. Ein Verteidigungsfonds soll weitere Milliarden für die Rüstungsindustrie mobilisieren und der Aufbau einer EU-Armee soll den imperialen Anspruch der EU als „global Player“ untermauern. Durch das Zwei-Prozent-Ziel der NATO würden sich die Rüstungsausgaben in Deutschland nahezu verdoppeln.

Ist das ernsthaft Ihre Antwort auf Trump, Brexit und Le Pen?

Nicht nur werden diese Milliardensummen an allen Ecken und Enden für wesentlich sinnvollere Projekte gebraucht – beispielsweise für ein so dringend nötiges sozial-ökologisches Investitionsprogramm zur Überwindung der Wirtschaftskrise in Europa.

Sie spielen zugleich außenpolitisch mit dem Feuer.

Wir brauchen eine grundlegend andere Antwort auf die Krisen unserer Zeit. Angesichts des Scherbenhaufens, den die Politik der Östlichen Partnerschaft in Osteuropa hinterlassen hat, ist eine neue Entspannungspolitik unerlässlich. Die Frage von Krieg und Frieden ist nach Europa zurückgekehrt und die falschen Weichenstellungen können fatale Folgen haben. Nutzen wir den Moment der Krise jedoch richtig, so können wir heute den Weg für eine friedliche und soziale Entwicklung ebnen.

Wir brauchen ein Europa des Friedens und der Abrüstung, der Entspannung und der Kooperation. Die Alternative dazu bekommen wir derzeit vorgeführt.

Vielen Dank.

 

Quelle: Plenarprotkoll 18/209

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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