In der aktuellen Stunde am 22. Juni 2017 kritisiert Andrej Hunko (DIE LINKE) die Europapolitik der Bundesregierung. Bei der Griechenland-Frage täuscht die Regierung die Öffentlichkeit, ein Schuldenschnitt ist unumgehbar. Beim Brexit müssten die Interessen der Menschen im Vordergrund stehen, doch auf beiden Seite wird mit Bedrohungsszenarien gearbeitet. Und schließlich soll der Zusammenhalt der verbleibenden EU-Staaten durch eine Militarisierung der EU gesichert werden. Das kann nicht funktionieren. Europäische Koordination wäre hingegen in der Energiepolitik nötig, bspw. zur Stilllegung der belgischen Pannenreaktoren in Tihange und Doel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde zur Europapolitik der Bundesregierung ist notwendig geworden, weil die Kanzlerin sich weigert, hier vor Beginn des Europäischen Rats zu reden

(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Das ist doch absurd!)

– so ist es –, um zu verdecken, dass der IWF bei der Vereinbarung mit Griechenland nicht, wie versprochen, mit an Bord geholt wurde,

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)

weil der IWF einen Schuldenschnitt fordert. Den gibt es nicht. Dieser Schuldenschnitt ist aber notwendig.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch diese Debatte ist notwendig, und es ist ein Skandal, dass die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung hier nicht angemessen vertreten sind.

(Beifall bei der LINKEN – Anja Karliczek [CDU/CSU]: Ein Zeichen, dass Sie keine Ahnung haben!)

Wir haben viele ganz wichtige Themen zu besprechen. Ein ganz wichtiges Thema ist gerade schon von Herrn Körber angesprochen worden: der Brexit. Wir müssen darüber reden, wie die Brexit-Verhandlungen laufen und was der Brexit für die Menschen in Großbritannien und in Europa bedeutet, die hier bzw. dort leben. Herr Körber, ich will Ihnen sagen: Großbritannien bleibt Teil Europas. Diese Insel wird nicht verschwinden, sie wird europäisch bleiben.

Wir brauchen Verhandlungen, die am Ende zu einem guten Ergebnis für die Menschen in Großbritannien und in der EU führen. Dazu gehören auch Regelungen für die 3 Millionen EU-Ausländer in Großbritannien und für die Briten, die in der EU leben. Ich sage ganz deutlich: Wenn man mit Drohszenarien arbeitet, wie das im Augenblick auf beiden Seiten der Fall ist, wird es nicht oder nur sehr schwer möglich sein, diese Regelungen zu vereinbaren; denn dann wird das für beide Seiten zum Verhandlungsgegenstand. Auf britischer Seite findet das bereits statt: Die 3 Millionen EU-Ausländer in Großbritannien werden drangsaliert, bekommen 86-seitige Vorlagen zum Bleiberecht usw. Das darf nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen faire Verhandlungen. Wir brauchen keine Drohszenarien. Wir brauchen vor allen Dingen Regelungen für die Menschen hier und dort.

Die Situation in Großbritannien ist nach der Wahl sehr offen. Es gibt keine feste, klare Regierung. Theresa May hat die Wahlen verloren, sie hat keine Mehrheit mehr. Sie versucht jetzt, die sehr fragwürdige nordirische DUP in die Regierung einzubinden. Wir wissen nicht, wie sich die Situation in Großbritannien entwickeln wird. Nach den Wahlen liegt Labour in allen Umfragen vorne. Herr Ulrich hat eben schon darauf hingewiesen, dass es ein Phänomen ist, dass die Sozialdemokraten in Großbritannien – also Labour – unter einem linken Vorsitzenden so stark sind wie nirgendwo sonst in Europa. Herzlichen Glückwunsch an Jeremy Corbyn zu diesem Ergebnis.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Situation in Großbritannien ist sehr fragil. Wir brauchen hier keine Drohszenarien und keinen Zeitdruck, sondern faire Verhandlungen über den Brexit, in denen auch der künftige Status verhandelt wird. Alles andere fände ich abenteuerlich.

Lassen Sie mich zu den Reaktionen auf den Brexit und die Trump-Wahl noch ein paar Worte sagen. Es wird viel darüber geredet, dass man die EU jetzt durch eine stärkere Militarisierung zusammenhalten müsse. Ein EU-Hauptquartier wird eingerichtet, in den europäischen Staaten soll aufgerüstet werden, EU-Entwicklungsgelder sollen in Gelder zur militärischen Unterstützung umgewidmet werden, zum Beispiel in Afrika.

Wir halten das alles für völlig falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist nicht der Weg, wie man die EU zusammenhalten kann.

Was wir brauchen, ist mehr Kooperation. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, das zeigt, wo die Kooperation fehlt. Ich komme aus Aachen. 50 Kilometer westlich von Aachen, in Tihange, haben wir einen Schrottreaktor, ein marodes Atomkraftwerk, und es gibt keine europäischen Instrumente, um damit umzugehen. 30 Kilometer nordöstlich haben wir den Klimakiller Nummer eins, einen riesigen Braunkohleabbau von RWE. 50, 60 Kilometer nordwestlich, in den Niederlanden, gibt es hochmoderne Gaskraftwerke, die stillgelegt worden sind, und das, obwohl Gas noch am ehesten eine Brückentechnologie wäre. Hier gibt es überhaupt keine transnationale Kooperation. Aber hier würde ich sie zum Beispiel für sinnvoll halten. Leider ist die Politik der Bundesregierung nicht darauf ausgerichtet. Wir brauchen eine europäische Kooperation – keine Frage –, aber kein militarisiertes Europa als Block gegenüber anderen Regionen in der Welt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

 

Quelle: Plenarprotokoll 18/240