Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Rede von Andrej Hunko in der Aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE "Sicherheit der Sparguthaben in Europa"

"Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Ich möchte zunächst der zypriotischen Bevölkerung und dem zypriotischen Parlament gratulieren. Das zypriotische Parlament hat am Dienstag Nein zu diesem Vorschlag gesagt und damit einen europäischen Präzedenzfall verhindert. Dafür erst einmal vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN Norbert Barthle (CDU/CSU): Grußadresse an die Kommunisten in Zypern!)

„Willkür in einer Dimension, die nicht mehr in Worte zu fassen ist“, so fasste der international renommierte Ökonom Heiner Flassbeck zusammen, was am Freitag und am Samstag auf dem Gipfel beschlossen worden ist. Recht hat der Mann. Wer die Ereignisse der Nacht von Freitag auf Samstag rekonstruiert hat, muss zu dem Schluss kommen, dass das Auftreten von Schäuble und Asmussen viel mit Erpressung, aber wenig mit gutem Umgang unter Demokraten zu tun hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Nicht umsonst ist in den internationalen Medien davon die Rede, dass ein neokolonialer und neofeudaler Stil in Europa Einzug gehalten hat nicht erst seit dieser Woche.

Erinnern wir uns an den Fall Papandreou! Der griechische Ministerpräsident hatte die Idee, über die Auflagen in Griechenland in einem Referendum abstimmen zu lassen. Er wurde sofort zum Rapport zitiert, das Referendum wurde zurückgezogen, und wenige Wochen später war der Mann weg vom Fenster. So schafft man keine europäische Integration, sondern europäische Desintegration.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt will es niemand gewesen sein; das haben wir gerade gehört. „Wir waren es nicht“, hört man aus der Bundesregierung, „der zyprische Präsident war es.“ Einmal abgesehen davon, dass Herr Schäuble zugestimmt hat das wurde hier schon gesagt : Herr Anastasiades war Ihr Mann. Sie haben sich dafür starkgemacht, dass er, ein Konservativer, in Zypern zum Präsidenten gewählt wird. Warum? Weil mit dem vorherigen linken Präsidenten Christofias

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Der hat den Karren in den Dreck gefahren!)

so etwas nicht möglich gewesen wäre. Mit dem wäre die Beteiligung von Kleinsparern genauso wenig möglich gewesen wie die Verscherbelung der öffentlichen Betriebe an internationale Konzerne.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen dazu: Kein linker Präsident, keine linke Regierung irgendwo in Europa würde es zulassen, dass die Kleinsparer für die Kosten der Krise herangezogen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Erschütternde der Beschlüsse vom vergangenen Freitag ist nicht nur der Tabubruch, an die Einlagen der kleinen Sparer heranzugehen,

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Hat keiner die Absicht!)

und der Stil, mit dem das durchgesetzt wurde, sondern auch die Konzeptionslosigkeit, mit der offenbar an die Krise herangegangen wird. Wir haben eben die Meldung der Ratingagentur Fitch bekommen. Da wird von „Durchwurschteln“ gesprochen. Anstatt endlich die Ursachen der Krise anzugehen, die in den deregulierten Finanzmärkten, in der gigantischen Konzentration der Geldvermögen und in den Konstruktionsfehlern des Euro liegen, stürzen Sie durch Ihre Austeritäts- und Privatisierungsdiktate und jetzt auch durch den Zugriff auf die Kleinanlagen ein Land nach dem anderen in die Rezession.

(Beifall bei der LINKEN)

Schauen wir uns doch einmal um! Griechenland befindet sich nun im sechsten Jahr der Rezession. Das Land steht am Rande einer humanitären Tragödie. In Portugal sind vor wenigen Wochen 1,5 Millionen Menschen unter dem Motto „Zum Teufel mit der Troika“ auf die Straße gegangen. Auch die Wahlen in Italien sind in diesem Kontext zu sehen.

Jetzt hat in Zypern zum ersten Mal ein Parlament Ihre Auflagen abgelehnt. Nicht ein einziger Abgeordneter wollte dem zustimmen. Die International Herald Tribune schrieb gestern auf der Titelseite: „Es gibt einen Punkt, an dem die Bedingungen, die Deutschland auferlegt, so überdehnt sind, dass die anderen Länder dem nicht mehr zustimmen werden.“ An diesem Punkt sind wir jetzt. Sie werden als Regierung der europäischen Desintegration in die Geschichte eingehen.

Gegenwärtig ist viel davon die Rede, dass man eine isländische Lösung in Zypern anwenden könnte. Schauen wir uns noch einmal kurz an, was in Island passiert ist:

Man hat die Zockerbuden pleitegehen lassen, stattdessen öffentliche Good Banks eingerichtet, die den normalen Zahlungsverkehr aufrechterhalten. Man hat Kapitalverkehrskontrollen eingeführt. Man hat das hohe nordische Sozialstaatsniveau erhalten.

Aber das Wichtigste ist: All das ist in einem intensiven demokratischen Prozess zustande gekommen. Nach Massenprotesten gab es Neuwahlen mit dem Ergebnis einer relativ linken Regierung. Es gab zwei Referenden. Es gab Untersuchungsausschüsse, die die Verantwortlichen des Zusammenbruchs herangezogen haben. Es hat funktioniert, besser funktioniert, als alle erwartet hatten.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Volker Wissing (FDP): Herr Gysi war wenigstens originell!)

Von Island lässt sich viel lernen. Kommen Sie endlich zur Vernunft und erkennen Sie Ihr Scheitern in der bisherigen Krisenpolitik an! Europa wird demokratisch, sozial und solidarisch sein, oder es wird nicht sein. Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Bravo! Gegenruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir sind hier doch nicht auf dem Parteitag!)

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko