Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Andrej Hunko (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin hier heute Morgen ja vom Sitzungspräsidium ausgeschlossen worden. Deshalb bin ich froh, dass ich jetzt noch reden darf.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie würden sonst meine Krawatte bekommen!)

Okay.
Wir sprechen ja über das Arbeitsprogramm der EU-Kommission. Welche Frage stellen sich die Menschen, wenn sie vom Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2011 hören? Sie werden fragen, ob das Arbeitsprogramm dazu beiträgt, die drängendsten Probleme zu lösen. Aber genau das tut es unserer Auffassung nach nicht.

Der Kommission ist zwar bewusst, dass das Programm „zu einem für die EU besonders kritischen Zeitpunkt“ vorgelegt wird, aber ein wirkliches Umsteuern im Bereich der Wirtschafts- und Währungspolitik ist nicht festzustellen. Im Gegenteil: Die gescheiterte Lissabon-Strategie aus dem Jahre 2000 wird jetzt in der EU-2020-Strategie fortgesetzt. Das ist ja das Gerüst dieses Arbeitsprogramms. Das bedeutet noch mehr Deregulierung und noch mehr Privatisierung. Dieser Weg hat mit in die Krise geführt und wird die Krise weiter verschärfen.

Dagegen beschwört die Kommission geradezu den Aufschwung. Durch die unsozialen europaweiten Kürzungsprogramme wird die EU-Binnenkonjunktur aber abgewürgt. Wenn bald noch weitere Länder aus der Euro-Gruppe dazu gedrängt werden, Milliarden aus dem sogenannten Euro-Rettungspaket abzurufen, werden sie zu neuen Kürzungsprogrammen und Schocktherapien verpflichtet. Dazu passt dann auch die Verschärfung des dummen Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Das ist schlicht inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN Michael Link (Heilbronn) (FDP): „Dummen“? Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben Sie „dummen“ gesagt?)

All dies bedeutet: Die Menschen zahlen jeden Tag für die Folgen der WIrtschafts- und Bankenkrise, und die Profiteure werden nicht zur Kasse gebeten. Nicht nur die Linke sagt: „Profiteure endlich zu Kasse!“, sondern das sagt auch die Mehrheit der Bevölkerung.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb gehen in vielen Ländern Europas immer wieder Hunderttausende auf die Straße zuletzt in Irland und in Portugal. Dabei zeigt sich immer deutlicher ich sage das hier sehr eindringlich : Europa wird sozial sein, oder es wird nicht sein. Ein soziales Europa wird es nur mit einem echten Neustart der EU auf demokratischer und sozialer Grundlage geben. Ohne eine Komplettrevision und Veränderung der Grundlagenverträge in die richtige Richtung sie werden ja gerade in die falsche Richtung verändert wird es leider so weitergehen wie bisher.

Schauen wir uns aber das Programm an einigen Punkten noch einmal konkret an:

Erstens. Die Kommission gewährt zusammen mit den Mitgliedstaaten und dem IWF die sogenannten Hilfspakete. „Hilfe“ klingt erst einmal solidarisch, aber diese Pakete sind in erster Linie Bankenrettungspakete. Die Mitgliedstaaten verdienen durch die Zinsen sogar noch an der Hilfe für bedürftige Staaten. Darüber hinaus sind diese Pakete aber vor allem Spardiktate auf Kosten der Bevölkerung. Sie führen zu mehr Armut und zu mehr sozialer Ausgrenzung. Ironischerweise wurde 2010 ja zum Europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung proklamiert. In Wirklichkeit war es genau andersherum. Ich glaube, 2010 wird als Jahr für Armut und soziale Ausgrenzung in die Geschichte eingehen.

Zweitens. Die Kommission arbeitet an der Umsetzung der sogenannten Solidaritätsklausel, die in Art. 222 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union geregelt ist. Aber auch hier geht es nicht um Solidarität zwischen den Menschen. Es geht schlichtweg um den Einsatz von Militär in anderen Mitgliedstaaten, und zwar nicht nur bei Terroranschlägen oder Naturkatastrophen, sondern, wie es im Vertrag heißt, auch bei „einer vom Menschen verursachten Katastrophe“. Was kann das sein? Aufgrund dieser vagen Definitionen könnte EU-Militär auch zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt werden, wenn sich die sozialen Konflikte in einem Mitgliedstaat weiter zuspitzen. In Griechenland und Spanien zum Beispiel gab es in den letzten Monaten Situationen, in denen Militär mit eingesetzt wurde. Die Linke lehnt einen solchen Einsatz von Militär grundsätzlich ab, auch dann, wenn er als Solidaritätsakt verkleidet wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens plant die Kommission eine „Mitteilung über stärkere Solidarität innerhalb der EU“. Auch hier findet sich wieder der Begriff Solidarität. Aber was verbirgt sich dahinter? Es geht um die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von illegalisierten Migrantinnen und Migranten. Aktuelles Beispiel: Griechenland soll nicht mehr allein gegen die Flüchtlinge kämpfen, sondern bekommt Unterstützung von der EU mittels FRONTEX-Soforteinsatzteams. Besonders angesichts der katastrophalen und menschenverachtenden Zustände in den überfüllten Lagern ist das nur noch zynisch zu nennen.

(Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist richtig!)

Wir fordern stattdessen die Solidarität mit Menschen in Not, und zwar in dem Fall ist der Begriff sinnvoll bedingungslose Solidarität.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum Schluss. Fragen Sie die Menschen in Europa, welches Arbeitsprogramm sie der Kommission geben würden. Der Auftrag wäre ganz klar: Profiteure zur Kasse bitten, Regulierung der Finanzmärkte und ein soziales Europa. Die Menschen müssen in Europa wieder im Mittelpunkt der Politik stehen. Dafür stehen wir ein.
Ich danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko