Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Von Andrej Hunko

Es ist ein surreales Bild, das sich derzeit in Europa darbietet: Der Großteil des Kontinents befindet sich im Lockdown und zugleich werden im April 28.000 Soldatinnen und Soldaten samt militärischem Gerät quer durch Europa in Richtung russischer Grenze verlegt. Trotz Pandemie findet mit „Defender Europe 21“ eine der größten US-Militärübungen der letzten Jahre statt. In mehr als 30 Trainingsgebieten üben Truppen aus 26 Ländern den Krieg gegen Russland. 21 von ihnen sind Nato-Mitglieder. Mit Georgien, der Ukraine, Bosnien und Herzegowina, Moldau sowie dem international nicht anerkannten Kosovo nehmen aber auf fünf Staaten Teil, die nicht Mitglieder des Kriegsbündnisses sind.

Deutschland fungiert bei Defender 21 als Drehscheibe für die Truppenverlegungen. Häfen und Flughäfen sowie die Infrastruktur der Bundeswehr sollen genutzt werden, um die Verlegung von Truppen nach Südeuropa möglichst reibungsfrei zu organisieren. 430 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sind beteiligt, 2,9 Millionen Euro lässt sich die Bundesregierung die Kriegsübung kosten. Ist dieser Schritt abgeschlossen, dann stehen für Mai militärische Übungen an den Einsatzorten in den Nato-Ländern Rumänien und Ungarn auf dem Plan.

Schon 2020 war das US-Manöver mit der Pandemie kollidiert. Just im Frühjahr, parallel zum ersten großen Ausbruch des neuen Corona-Virus in Europa, startete das Großmanöver zum ersten Mal, wurde dann aber stark reduziert. Auch damals war das Ziel offensichtlich: Die Übung eines kriegerischen Konflikts mit Russland. Während 2020 die Baltischen Staaten an der russischen Westgrenze im Zentrum der Kriegsübungen standen, geht es 2021 um die Südwestgrenze. Die Truppenverlegungen betreffen vor allem den Balkan bis hin zum Schwarzen Meer.

Damit setzt das Manöver die gefährliche Einkreisungs- und Konfrontationspolitik gegenüber Russland fort. Entsprechend wird der bevorstehende Beginn des Militärmanövers von aggressiver Rhetorik begleitet. Ausgerechnet Jens Stoltenberg, der Generalsekretär des weltgrößten Kriegsbündnisses Nato, dessen Militärausgaben den Großteil der gesamten weltweiten Militärausgaben ausmachen, kritisierte Russland für Aufrüstung und „aggressives Verhalten“ gegenüber anderen Staaten.

Jenseits der Einkreisung Russlands belegt die parallel stattfindende Übung „Defender Pacific 21“, dass zunehmend auch China ins geopolitische Visier der USA und der Nato gerückt ist. Darüber hinaus zeigt die geographische Konzentration auf den Balkan auch dessen wachsende geopolitische Bedeutung. Während die EU-Perspektive für die Länder des Westbalkans zunehmend infrage steht, sind Einflüsse Russlands, Chinas, Saudi Arabiens und der Türkei deutlich. Insbesondere Serbien strebt immer deutlicher alternative Konstellationen an. Die USA versuchen offenbar diesen Entwicklungen entweder durch militärische Einbindung oder durch Konfrontation zu begegnen. So erscheint Serbien als „einsame Insel“ in der Karte der beteiligten Staaten. All dies könnte die Region erneut zu einem Pulverfass in Europa machen. Dies muss durch realistische Entwicklungsperspektiven und Konfliktlösungen über multilaterale Verhandlungsformate dringend verhindert werden.

Für die Linke und die Friedensbewegung ist klar, dass diese Militärübungen völlig fehl am Platz sind. Mitten in der Pandemie sind sie jedoch besonders bizarr. Die Bundesregierung muss die Beteiligung Deutschlands unverzüglich einstellen und Truppenbewegungen in Deutschland untersagen. Stattdessen muss sie sich konsequent für multilaterale Gesprächsformate einsetzen und auf eine neue Entspannungspolitik gegenüber Russland orientieren. Die Ostermärsche sind ein wichtiges Zeichen, um die Forderung nach einer Politik des Friedens und für internationale Beziehungen auf Grundlage der Solidarität und der Kooperation zu untermauern. Deshalb muss es jetzt heißen: Lockdown für Defender Europe 21!

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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