Interview mit dem Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko in "Zeitgeschehen im Fokus" aus der Schweiz.

Zeitgeschehen im Fokus Es gab vor zwei Wochen einen Zwischenfall im Schwarzen Meer mit einem britischen Kriegsschiff, das ungute Erinnerungen an vergangene Zeiten geweckt hat. Was ist der Hintergrund?

Bundestagsabgeordneter Andrej Hunko Die Berichterstattung, z. B. in den westlichen Medien, war eher spärlich und nicht besonders differenziert. Der zentrale Punkt ist, dass dieses britische Kriegsschiff mit provokativer Absicht, das ist heute bekannt, die 12-Meilen-Zone der Krim durchquert hat, die von Russland beansprucht wird. Virulenter Hintergrund ist der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, der vom Westen sekundiert wird. Die 12-Meilen-Zone der Krim ist für Russland russisches, für die Ukraine und den Westen ukrainisches Staatsgebiet.

Was hat das britische Kriegsschiff dort zu suchen?

Das Schiff war von Odessa unterwegs nach Batumi in Georgien, hat dabei die 12-Meilen-Zone der Krim durchquert und ist drei Meilen in diese Zone eingedrungen. Nach der russischen Darstellung hat die russische Abwehr das Schiff mit Warnschüssen und Warnflügen zum Abdrehen veranlasst. Die westliche Seite dementiert das und spielt die ganze Sache herunter. Das Verhalten Russlands sei im Rahmen eines russischen Manövers geschehen und habe mit dem britischen Kriegsschiff eigentlich nichts zu tun.

Russland besteht auf seiner Darstellung?

Für Russland ist es wichtig, nicht als schwach wahrgenommen zu werden. Schwäche zu zeigen, würde aus seiner Sicht die Kriegsgefahr erhöhen.

Sie sagten vorhin, das britische Kriegsschiff sei bewusst provokativ in die 12-Meilen-Zone der Krim eingedrungen. Wie kommen Sie zu dieser Aussage?

Bisher wurde der Vorgang so dargestellt, dass das Schiff in friedlicher Mission unterwegs gewesen sei. Aber in der Nacht danach ist in Kent in Grossbritannien an einer Bushaltestelle eine Plastiktüte mit Unterlagen aus dem britischen Verteidigungsministerium gefunden worden. Offenbar hat sie ein Mitarbeiter dort vergessen oder bewusst liegengelassen. In der Tüte befanden sich ausgedruckte E-Mails, deren Inhalt auch nicht angezweifelt wird, aus denen ganz klar hervorgeht, dass bereits im Vorfeld darüber diskutiert wurde, wie wohl die Russen darauf reagieren würden, wenn das Schiff in die 12-Meilen-Zone fährt. Da dies alles in schriftlicher Form vorliegt und vom Verteidigungsministerium nicht dementiert wurde, ist der Vorgang ein eindeutiger Fall bewusster Provokation.

Das erinnert geradezu an einen schlechten James Bond Film...

Ja, das Ganze ist recht mysteriös. Nach Aussagen des britischen Verteidigungsministeriums habe der Mitarbeiter das sofort der entsprechenden Behörde gemeldet. Man könnte das aber auch als eine Schutzbehauptung interpretieren. Es könnte natürlich auch sein, dass ein Whistleblower die Unterlagen bewusst dort liegengelassen hat, damit die Öffentlichkeit davon erfährt. Der Inhalt wird in keiner Weise angezweifelt. Es ist klar, dass diese Provokation schon lange im Voraus geplant war und dann nochmals zwischen Grossbritannien und den USA abgestimmt wurde.

Dann war das Ganze auch kein Zufall?

Nein. Es war zwar eine Einzelaktion, aber nachher hat sich das Kriegsschiff «Defender» dem Grossmanöver im Schwarzen Meer namens Seabreeze angeschlossen. Diverse westliche und Nato-Kriegsschiffe haben hier geübt. Auch die Bundesrepublik ist indirekt daran beteiligt. Zwar nicht mit einem Kriegsschiff, sondern durch eigene Kampfflugzeuge, die in Rumänien stationiert sind. Diese waren in das Manöver eingebunden und standen unter britischem Kommando.

Die Argumentation der Nato, dass die Krim Teil des Hoheitsgebiets der Ukraine ist, ist in Bezug auf den Kosovo eine ganz andere. Hier wurde mit Camp Bondsteel eine riesige US-Luftwaffenbasis auf serbischem Boden gebaut, ohne dass damals irgendjemand die Verletzung der serbischen Souveränität thematisiert.

Ja, das ist ein Beispiel, wie die doppelten Standards in der internationalen Politik angewendet werden. Die Abspaltung des Kosovos wird zwar international nicht einheitlich anerkannt, es wird in dem Kontext aber nicht so zugespitzt. Das ist der grosse Unterschied. Auf den Fall des Kosovos haben sich die Russen bezogen, als sie 2014 die Krim in die Russische Föderation eingegliedert haben. Damit will ich nicht sagen, dass das Vorgehen Russlands über jeden Zweifel erhaben ist, aber das Problem dabei sind die doppelten Standards in der internationalen Politik.

Als Historiker denkt man bei diesem Vorfall an den «Panthersprung». Das deutsche Kanonenboot «Panther», das 1911 vor der Küste Marokkos auftauchte und einen Anspruch auf Marokko stellte und damit die Franzosen provozierte.

Ja, das ist Kanonenbootpolitik. Damals wurde von deutscher Seite mit Kriegsschiffen ein Herrschaftsanspruch untermauert. Ja, das hat gewisse Parallelen. Es erinnert mich aber auch an die Politik im Südchinesischen Meer. Hier findet etwas Ähnliches statt: Dort geht es um Inseln, die von China beansprucht, aber von den USA nicht als chinesisch anerkannt werden. Dort finden ebenfalls permanent solche Provokationen statt. Mittlerweile ist ein deutsches Kriegsschiff in diese Region unterwegs. Diese Entwicklungen und Vorgänge sind äusserst besorgniserregend. Der Vorfall im Schwarzen Meer steht im Zusammenhang mit dem Grossmanöver Defender 21.

Worum geht es bei diesen Manövern?

Diese Manöver gibt es seit 2020. Das sind Manöver, die die schnelle Verlegung – insbesondere von US-Soldaten und schwerem Gerät – an die russische Grenze üben. In den geraden Jahren wird das Manöver im Grossraum Polen und im Baltikum abgehalten, in den ungeraden Jahren über dem Balkan und im Schwarzen Meer. Dieses Jahr sind 28 000 Soldaten in den Balkan und ans Schwarze Meer verlegt worden. Zusätzlich hat man alle Staaten auf dem Balkan eingebunden, inklusive Kosovo – mit einer Ausnahme: Serbien.

Wie wurde das in Deutschland kommentiert?

Kaum. Ich habe das öfters in Reden thematisiert. Schon allein deswegen, weil Deutschland massiv an diesen Manövern beteiligt war. Dennoch dringt das kaum über die Wahrnehmungsschwelle. Wenn eine russische Reaktion folgt, ist es immer ein grosser Skandal. Aber die ganze aggressive Konfrontationspolitik – anders kann man das nicht bezeichnen – wird in keiner Weise öffentlich debattiert oder kommuniziert. Das ist das Erschreckende. Wenn Russland darauf reagiert und vielleicht den Botschafter ausweist, dann gibt es immer eine riesen Aufregung und die Bevölkerung bekommt das Bild eines aggressiven Herrschers in Moskau vermittelt.

Wir können also mit Fug und Recht sagen, dass wir eine Zuspitzung auf militärischem Gebiet haben. Wo bleibt der Gedanke der Abrüstung und der Einsatz für ein friedliches Miteinander?

Man geht massiv einen anderen Weg. Im Laufe der Ukrainekrise haben sich die Nato-Staaten verpflichtet, ihr Militärbudget auf zwei Prozent des BIPs zu erhöhen. Das ist eine gigantische Summe, die man dadurch generiert. In Deutschland wird das Budget von ungefähr 30 Milliarden Euro in den Jahren 2012, 2013 auf 80 Milliarden Euro bis ins Jahr 2025 erhöht. Heute liegt der jährliche Betrag schon bei über 50 Milliarden Euro. Gerechtfertigt wird das mit dem 2-Prozent-Ziel vor dem Hintergrund der Ukrainekrise und der Auseinandersetzung um die Krim und den Donbas. Wir erleben eine massive Aufrüstung. Deutschland hat in den letzten Jahren um fast 50 Prozent aufgerüstet, und das wird weiter vorangetrieben. In der letzten Sitzungswoche des Bundestags sind 27 weitere Rüstungsprojekte beschlossen worden mit einem Gesamtvolumen von 18 Milliarden Euro.

Das scheint ein hoher Betrag zu sein.

Ja, dahinter verbirgt sich ein gigantisches Rüstungsprojekt namens «Future Combat Airsystem» (FCAS). Das ist ein deutsch-französisch-spanisches Projekt, bei dem neue, atomwaffenfähige Kampfflieger entwickelt werden, die wiederum mit Kampfdrohnenschwärmen kombiniert und mit künstlicher Intelligenz ausgestattet werden sollen. Das alles soll ab 2040 zur Verfügung stehen. Das kostet mehrere 100 Milliarden Euro. In der letzten Sitzungsperiode des Bundestagsparlaments ist der Einstieg über 4,5 Milliarden Euro beschlossen worden. Das geschieht, ohne dass eine öffentliche Debatte darüber geführt wird. Somit wird diese Entwicklung von der breiten Bevölkerung gar nicht wahrgenommen.

Ist die Anwendung von künstlicher Intelligenz nicht sehr umstritten?

Es gibt eine Reihe von Wissenschaftlern, die selbst an künstlicher Intelligenz (KI) forschen und vor deren Einsatz im militärischen Bereich warnen. Mit der Begründung, dass durch KI der Mensch bei der Entscheidung immer mehr herausgenommen wird, was in gewissem Sinn zu einer Automatisierung führt. Es gibt bereits ein Beispiel aus dem Kalten Krieg, als Computer gemeldet hatten, dass ein Angriff bevorstünde und man mit Atomwaffen darauf reagieren wollte. Damals hat ein berühmter sowjetischer Offizier trotz Angriffsmeldung nicht reagiert, weil er der Information nicht traute. Er bewahrte dadurch die Welt in den 80er Jahren vor einer atomaren Katastrophe. Je mehr man solche Systeme automatisiert und mit künstlicher Intelligenz verknüpft, desto mehr fällt der menschliche Faktor aus, der in der Geschichte das Schlimmste verhindert hat.

…und die menschliche Vernunft Oberhand gewonnen hat wie z. B. in der Kubakrise oder ähnlichen Konflikten. Auf welche Form von Bedrohung ist denn dieses Rüstungsprojekt ausgerichtet? Gegen wen oder was soll sich dieses gigantische Rüstungsprojekt richten?

Mehrheitlich wird das mit dem «aggressiven» Verhalten Russlands begründet. Manchmal wird auch China angeführt. Vor fünfzehn Jahren war der internationale Terrorismus das Feindbild. Vielleicht zu Recht, vielleicht auch etwas übertrieben. Ich denke eher etwas übertrieben. Jetzt ist der Afghanistankrieg nach 20 Jahren beendet, und der damals erklärte «War on Terror» ist kläglich gescheitert. Der Einsatz hat nichts gebracht ausser hohe Kosten und unsägliches menschliches Leid. Die Periode von 2001 bis ca. 2014 wird nun abgelöst mit einer neuen Konfrontation zwischen den Grossmächten selbst, zwischen Russland und der Nato sowie der Nato und China.

Was gab denn 2014 den Ausschlag?

Zum einen die Auseinandersetzung mit dem Westen und Russ­land um die Ukraine. Die Beschlüsse der Nato auf dem Gipfel in Wales 2014 referieren eindeutig auf die Ukrainekrise, insbesondere die Auseinandersetzung um die Krim. Damit ist es offensichtlich, dass es hier um Russland geht. Das Absurde ist, dass die Nato bei diesen Defender-Manövern, die jetzt jedes Jahr stattfinden sollen, erklärt, dass sie sich gegen niemanden richten, sondern bloss eine «Selbstertüchtigung» seien. Man muss nur auf die Landkarte schauen und die realen Spannungen, die jetzt in der Region um das Schwarze Meer entstanden sind, betrachten, dann ist offensichtlich, worum es geht. Der Vorfall mit dem britischen Kriegsschiff, das ebenfalls Defender heisst, war im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Manöver und war auch ein Teil davon bzw. von «Seabreeze», das sich direkt an Defender 21 anschloss. Das glaubt doch kein Mensch, wenn gesagt wird, die schnelle Verlegung von US-amerikanischen Truppen habe nichts mit Russland zu tun.

Das ist doch eigentlich unglaublich. Wenn es nichts mit Russland zu tun hat, dann könnte die Nato das Manöver in der Ägäis oder vor Sardinien oder sonstwo im Mittelmeer durchführen. Das wäre doch eine ganz andere Botschaft Russland gegenüber. Hat die EU nicht auch noch ein Projekt, das als verstärkte Militarisierung zu verstehen ist?

Auf der EU-Ebene gibt es zwei relevante Projekte. Zum einen PESCO, das heisst «Permanent Structured Cooperation, was eine Möglichkeit bietet, innerhalb der EU eine «Koalition der Willigen» zu bilden, und zwar in verschiedenen Bereichen, auch im militärischen. Hier haben sich schon vor einigen Jahren 25 der 27 EU-Staaten (ausser Malta und Dänemark) verpflichtet, militärisch stärker zusammenzuarbeiten und alljährlich aufzurüsten. Das ist der zentrale Punkt bei PESCO: die Erhöhung der Waffen und das Starten gemeinsamer Rüstungs- und Militärprojekte. Neu hinzu kam der Europäische Verteidigungsfonds. Im neuen 7-Jahreshaushalt der EU ist er zum ersten Mal aufgeführt – mit einem Volumen von 8 Milliarden Euro. Dieser Fonds soll, wie der Name schon sagt, Rüstungsprojekte finanzieren, was aber eigentlich verboten ist.

Wieso?

In den EU-Verträgen steht geschrieben, dass aus dem EU-Haushalt selbst keine militärischen Projekte finanziert werden dürfen. Um das Verbot zu umgehen, hat man einen Trick angewendet, indem der Verteidigungsfonds als Industrieförderung deklariert wird und unter die entsprechenden Paragraphen, zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Verteidigungsindustrie, gefasst wird. De facto ist es eine Rüstungsfinanzierung aus dem Haushalt. Aus diesem Grund klagt die Linksfraktion gegen diesen Verteidigungsfonds.

Wo wird die Klage eingereicht?

Idealerweise würde man das vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) machen, aber dazu hätte es die Bereitschaft anderer Fraktionen im Bundestag gebraucht. Die gab es nicht, deshalb gehen wir vors Bundesverfassungsgericht und gehen davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht das Verfahren an den EuGH weiterleitet. Wir wollen eine juristische Auseinandersetzung, weil dieser Verteidigungsfonds den Grundlagenverträgen der EU widerspricht.

Dieser Vorgang, auch die Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds, ist in den Medien kein Thema.

Ja, das ist so. Kein Mensch redet davon. Ich bin zuständig für die Klage der Linksfraktion und habe Informationen an die dpa gesandt. Die hat dann eine Meldung daraus gemacht. Diese wurde von zwei, drei Zeitungen aufgegriffen, die die Meldung veröffentlicht haben, und das war es. Keine Fragen, ob wir diese Aufrüstungs- und die damit verbundene Konfrontationspolitik mit Russland wollen. Diese Politik ist gesetzt, und wenn es um das Militärische geht, wird überhaupt nicht mehr darüber berichtet.

Während des Einsatzes in Afghanistan gab es in der Bevölkerung Deutschlands, aber auch in anderen Ländern, einen klaren Konsens gegen den Krieg. Die Menschen wollen in Frieden leben können. Dennoch wird in Europa, wie Sie jetzt erklärt haben, gerüstet und gerüstet. Die Kriegstreiberei hört nicht auf.

Ja, wenn man Umfragen macht, dann gibt es diese Mehrheiten gegen Aufrüstung. In Deutschland sind diese immer sehr stabil, aber es geschieht nicht wirklich etwas.

Warum ist das so?

Es gibt so etwas wie ein «Empörungsmanagement». Es wird berichtet, aber es wird vermieden, dass irgendeine Art von Empörung entsteht. Es ist zwar die Mehrheit der Menschen dagegen, aber wenn es Veranstaltungen oder Demonstrationen dagegen gibt, dann sind sie nicht sehr stark besucht. Es gibt keinen realen Druck aus der Gesellschaft. Wir haben leider auch keine Volksabstimmungen wie in der Schweiz.

Ich denke an die ganze Debatte um die Atomkraft. Beim Ausstieg Deutschlands aus der Atomkraft waren Hunderttausende aktiv. Auch der Protest zum Klimawandel wie mit Fridays for future oder Themen wie Rassismus oder gendergerechte Sprache werden medial begleitet. In der Frage von Krieg und Frieden ist es in den letzten 10 Jahren gelungen, über die Medien so zu kommunizieren, dass kein anhaltender gesellschaftlicher Druck entstanden ist. Wenn ich mich so äussere, wie ich es jetzt hier in dem Interview mache, dann stimmen mir sehr viele Leute zu. Ich bekomme Mails oder Facebook-Kommentare, die sagen, dass das unglaublich sei und sprechen von kriminellen Machenschaften usw. Aber es gelingt zurzeit nicht, den gesellschaftlichen Druck aufzubauen, der ganz dringend notwendig wäre.

Bei der ganzen antirussischen Stimmung in der EU gibt es doch hin und wieder etwas besonnenere Töne, nehme ich das falsch wahr?

Wir hatten kürzlich den EU-Gipfel, übrigens der letzte von Angela Merkel. Analog zum Treffen zwischen Putin und Biden wollten Frankreich und Deutschland ein Gipfeltreffen der EU mit Putin. Das ist von den baltischen Staaten, Polen und Rumänien, vermutlich auch Dänemark und den Niederlanden, torpediert worden. In solchen Fragen braucht es Einstimmigkeit. Auch wenn es um Sanktionen geht, wird die Einstimmigkeit mittels Druck hergestellt. Es gibt einige Länder, die keine Sanktionen gegenüber Russland wollen, wie Zypern, Griechenland, Slowakei und Italien. Die werden jedoch durch die hergestellte «Einstimmigkeit» überhört. Nun ging es nur darum, einmal ein Gipfelgespräch zwischen der EU und Russ­land zu machen. Merkel und Macron haben hier die richtige Initiative ergriffen, aber sich offenbar nicht mit sehr viel Nachdruck dafür eingesetzt.

Könnten Macron und Merkel nicht beschliessen, wir machen einen dreier Gipfel?

Ja, das schon, aber das wäre dann nicht die EU. Es wäre eben sehr wichtig, dass auch die EU mit all den Rüstungsprojekten und den Sanktionsregimen gegenüber Russland, die immer mehr aufgebaut werden, den Dialog mit Russ­land führt. Auch beim letzten Ratsgipfel sollten weitere Sanktionen gegen Russland wegen destruktiven Verhaltens geprüft werden, was immer das bedeutet. Somit entwickelt sich die EU immer stärker zu einem konfrontativen Block. Hier wäre es besonders wichtig, dass die EU in eine andere Richtung lenkt. Dass das nicht durchsetzbar ist, ist doch auch ein Armutszeugnis für die EU, die immer als Friedensprojekt gehandelt wird. Dafür bekam sie sogar den Friedensnobelpreis, was mir bis heute allerdings unverständlich ist.

Aber muss man hier nicht sagen, lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, wenigstens Frankreich und Deutschland halten den Gesprächsfaden mit Russland?

Ja, auf alle Fälle, das ist etwas, was die Linksfraktion auch unterstützen würde.

Herr Bundestagsabgeordneter Hunko, vielen Dank für das Gespräch.

Interview Thomas Kaiser

Erschienen am 13. Juli 2021 in Zeitgeschehen im Fokus