Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Neue Details zur Festnahme des Al-Dschasira-Journalisten Ahmed Mansur zeigen, dass Berlin dem ägyptischen Regime einen Gefallen tun wollte

Wegen der vorübergehenden Verhaftung des ägyptisch-britischen Journalisten Ahmed Mansour am Flughafen Berlin Tegel war die Bundesregierung vor zwei Wochen international in die Schlagzeilen geraten. Der Al-Jazeera-Mitarbeiter war auf dem Weg von einem Interview in Berlin nach Doha, als ihn die Bundespolizei in Haft nahm. Nach öffentlichem Druck kam der Journalist zwei Tage später wieder frei.

Mansour wurde aufgrund eines ägyptischen Haftbefehls gesucht, laut der Bundesregierung sei dieser von Interpol verschickt worden. Nachdem sich die Anwälte Mansours bei der internationalen Polizeiorganisation danach erkundigten, fiel die Behauptung in sich zusammen. Ägypten hatte das Festnahmeersuchen nämlich selbst eingestellt, eine Prüfung durch Interpol erfolgte aber erst hinterher. Dabei wurde festgestellt, dass der Haftbefehl gegen die Statuten verstößt, wonach Interpol nicht für die politische Verfolgung missbraucht werden darf. Mansour war von einem ägyptischen Gericht in Abwesenheit zu 5 Jahren verurteilt worden. Im internationalen Haftbefehl war sogar von 15 Jahren die Rede.

Interpol hat alle 190 Mitgliedstaaten von der Rücknahme des Fahndungsersuchens unterrichtet. Normalerweise werden diese dann von den an das Netzwerk angeschlossenen Kriminalpolizeien ebenfalls entfernt oder aber den zuständigen Behörden zur Prüfung vorgelegt. Das Bundeskriminalamt hat den Vorgang deshalb dem Bundesamt für Justiz und dem Auswärtigen Amt übergeben. Dort hieß es allerdings, dass gegen eine nationale Ausschreibung zur Festnahme „keine Bedenken bestehen“. Mansour wurde also im deutschen Fahndungssystem INPOL ausgeschrieben. Auch eine neuerliche Mitteilung von Interpol im Juni diesen Jahres änderte daran nichts.

Nun kommt heraus, dass es sich dabei um einen einmaligen Vorgang handelt. Denn im vergangenen Jahr wurden insgesamt 70 von Interpol als fälschlich eingestufte Fälle geprüft. Die beanstandeten Haftbefehle wurden danach von deutschen Behörden sämtlich zurückgenommen – außer jener zu Ahmed Mansour. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Pressefreiheit und ein schwerwiegender Affront gegen die arabische Welt, denn Mansour ist wohl eine der bekanntesten Persönlichkeiten der arabischen Welt. Bekanntlich sympathisiert er mit den ägyptischen Muslimbrüdern, die von der ägyptischen Regierung unter Abd al-Fattah as-Sisi brutal verfolgt werden. Man muss die Muslimbrüder nicht mögen, um die hundertfachen Todesurteile und Repression gegen ihre Mitglieder zu kritisieren. Mit dem kaum kritischen Empfang von al-Sisi in Berlin hat die Bundesregierung dem Präsidenten vor drei Wochen willfährig Unterstützung signalisiert. 

Eine weit höhere Dunkelziffer bei der politischen Verfolgung via Interpol ist zu vermuten. Denn mitunter werden den politisch Verfolgten von den ausschreibenden Staaten andere Vergehen untergeschoben. So ist es womöglich auch im Fall Mansour geschehen. Interpol ist auch dafür bekannt, Ersuchen gegen Angehörige kurdischer Gruppen über ihre Fahndungsdatenbank zu verteilen. Dies schränkt Exiloppositionelle und Asylberechtigte in ihrer Reisefreiheit und damit auch in den Möglichkeiten, ihre politische, menschenrechtliche oder journalistische Arbeit außerhalb ihres Heimatlandes fortzusetzen, erheblich ein. 

 

Erschienen in der Jungen Welt vom 3. Juli 2015

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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