Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Bericht von Philip

Angekommen in der Wilhelmstraße 68 fragte ich mich zu aller erst, ob ich denn wirklich im Bundestag gelandet sei oder die nächsten zwei Monate „nur“ in einem nahegelegenen Büro arbeiten würde. Der Reichstag schien mir so weit entfernt und außer einigen Schulbesuchen in der Kuppel und der festen Überzeugung, dass mein Herz auf der LINKEN Seite schlagen würde, wusste ich nicht so recht, was mich erwarten würde. Umso heftiger traf mich der Schlag als meine Kollegen Jan und Pascal mir erklärten, dass man unterirdisch bis zum Paul-Löbbe-Haus gelangen würde. Kein Wunder, dass man die Politiker so selten auf den Straßen Mittes sieht, dachte ich mir, wobei auch innerhalb der Gebäude Totentanz herrschte. In der zweiten Woche änderte sich dies jedoch schlagartig als meine erste Sitzungswoche losging und das Büro, die Gänge und auch die Mensa auf einmal einem Menschenbad glichen.

Zeitgleich lernte ich den Abgeordneten Andrej und die Büroleiterin Anna kennen, wobei mir direkt vom ersten Tag an das „du“ angeboten wurde, was mir sehr gut gefiel und die Stimmung im Büro sehr angenehm und familiär machte. Bei Andrej, dem europapolitischen Sprecher der Linksfraktion, bewarb ich mich vor allem wegen meines außenpolitischen Interesses für den Balkan und Osteuropa. Passenderweise wurde direkt zu Beginn meines Praktikums über die Eröffnung von EU-Beitrittsverhandlungen Nordmazedoniens und Albaniens im Bundestag abgestimmt, während mein Kollege Matthias gerade an einer Kleinen Anfrage zur Rolle Frontex‘ an der kroatisch-bosnischen Grenze feilte. So konnte ich quasi von Anfang an meine eigene „Baustelle“, den Westbalkan, eröffnen und die „Ostfront“, um die sich im Büro Sergei kümmerte, gen Südwesten erweitern. Neben der Mitarbeit an Bürgerantworten, Pressemitteilungen und schriftlichen Anfragen konnte ich dadurch beispielsweise eine politische Analyse zu den Wahlen im Kosovo sowie eine Kleine Anfrage zur Anwerbung von Pflegekräften in Südosteuropa selbstständig verfassen.

Dabei begleitete ich Andrej regelmäßig bei Sitzungen der EU-AG, des Arbeitskreises VI (Außenpolitik), den Fraktionssitzungen der LINKE und zum EU-Ausschuss, welchen ich besonders spannend fand. Bereits nach wenigen Tagen konnte ich die für zahlreiche Klausuren gebrauchte Bulimielernerei, endlich sinnvoll nutzen und glaube verstanden zu haben, wie ein Parlament arbeitet. Immanuel Kants weltbekanntes Zitat: „Theorie ohne Praxis ist leer, Praxis ohne Theorie ist blind" scheint mir in diesem Zusammenhang passender denn je. Neben spannenden Events mit hochkarätigen Gästen, die einem nicht unbedingt sympathisch sein müssen – wie es beispielsweise bei Annegret Kamp-Karrenbauer oder Jens Stoltenberg der Fall war – wurde ich komplett in den Alltag eines Abgeordnetenbüros integriert und fühlte mich vom ersten Tag an sowohl ernst genommen als auch Wert geschätzt.  Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Praktikumsstellen, in denen man zum Kaffee kochen oder zu „Drecksarbeit“ verdammt wird, ist man in Andrejs Büro immer menschlich und auf Augenhöhe mit mir umgegangen.

Ich kann das Praktikum zukünftigen Interessierten vorbehaltlos weiterempfehlen. Mich hat es sowohl politisch als auch beruflich darin bestärkt, meinen jetzigen Weg fortzuführen. Die 9 Wochen haben mir zudem gezeigt, dass einem ein Bürojob überraschenderweise sehr viel Spaß bereiten kann und Rosa Luxemburg möglicherweise doch nicht ganz Unrecht hatte, als sie die geistige Arbeit über den Hedonismus stellte: „Die Arbeit, die tüchtige, intensive Arbeit, die einen ganz in Anspruch nimmt mit Hirn und Nerven, ist doch der größte Genuß im Leben“.

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko