Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Kommentar von Andrej Hunko
Griechenland steht vor einer Richtungsentscheidung. Am Sonntag hat die Bevölkerung die Wahl zwischen zwei grundlegend verschiedenen Kursen: Die konservative Nea Dimokratia (ND) und die sozialdemokratische PASOK stehen für die Fortsetzung des rigiden Spardiktats, das dem Land von der Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission diktiert wurde. Die linke SYRIZA, die realistische Chancen auf einen Wahlsieg hat, will hingegen das Verarmungsprogramm stoppen und schlägt einen alternativen Weg aus der Krise vor.

Als Bedingung für Kredite aus dem „Euro-Rettungsschirm“ (EFSF) hatte die Troika Griechenland ein durch und durch marktradikales Programm auferlegt. Die griechische Regierung verpflichtete sich, den Mindestlohn zu senken, Tarifverhandlungen zu verbieten und die Gesundheitsausgaben drastisch zu kürzen. 150.000 Stellen im öffentlichen Dienst sollen abgebaut werden und die Tariflöhne wurden um 22 Prozent gesenkt, für Jugendliche sogar um 32 Prozent. Hinzu kommt ein massives Privatisierungsprogramm.

Dabei zeigt sich immer deutlicher die wirtschaftliche Unsinnigkeit dieser Austeritätspolitik: Angeblich sollen die Kürzungen helfen, den griechischen Staatshaushalt zu konsolidieren. Tatsächlich haben die angewandten Maßnahmen dazu geführt, dass die wirtschaftliche Entwicklung abgewürgt wird, die Steuereinnahmen einbrechen und die Schuldenquote weiter wächst.

Darüber hinaus bedeutet die Krisenpolitik einen Angriff auf die Demokratie in Europa. Mit Fiskalpakt und ESM möchte die Bundesregierung dieses Modell auf ganz Europa übertragen. Ein „austeritäres“ und autoritäres Europa wird als Lösung der Krise präsentiert. Dafür werden zunehmend Kompetenzen auf europäische Ebene verlagert, ohne dass die zuständigen Institutionen demokratisch legitimiert sind. Die Parlamente sollen ausgehebelt werden, indem das „Königsrecht“ der Parlamente, das Haushaltsrecht, grundsätzlich eingeschränkt wird. Wer nicht Sozialabbau betreibt, soll künftig verklagt werden können und wer Finanzhilfen des erneuerten Rettungsschirms ESM erhalten will, muss kürzen.

Sollte am Sonntag SYRIZA die stärkste Kraft in Griechenland werden, so wäre dies eine historische Chance für einen Bruch mit dieser Entwicklung und der neoliberalen Hegemonie in Europa. SYRIZA steht für die Aufkündigung des Memorandums, für ein Schuldenaudit und eine Neuverhandlung der Schuldenzahlungen. Gleichzeitig tritt SYRIZA für den Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone ein. Für alle Politikbereiche stellt die griechische Linkspartei die Grundversorgung der Bevölkerung an erste Stelle. SYRIZA will die Privatisierungen stoppen, den Verteidigungshaushalt drastisch reduzieren und spekulative Bankgeschäfte verbieten. Die Partei setzt sich außerdem dafür ein, in Griechenland und in Europa Reichtum, Finanztransaktionen und Profite zu besteuern.

In Deutschland ist die Krisenpolitik von einer unsäglichen Stimmungsmache gegen die griechische Bevölkerung begleitet, der die Schuld an der desolaten Situation gegeben wird. Tatsächlich sind in vielen Ländern der Euro-Zone aber die Bankenrettungen im Zuge der Finanzkrise ab 2007 einer der zentralen Gründe für die hohe Staatsverschuldung. In Griechenland war die sinkende Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen sowie die Ineffizienz des Steuersystems unter dem korrupten Zwei-Parteien-System von ND und PASOK einer der Gründe. Maßgeblich durch den deutschen Exportdruck, der durch die Niedriglöhne hierzulande verschärft wurde, musste Griechenland mehr importieren als exportieren und häufte so enorme Handelsbilanzdefizite an, die ein weiterer Grund für den enormen Schuldenstand sind.

Inzwischen steht die Linkspartei SYRIZA im Zentrum der Angriffe. Die Bundesregierung und viele Medien malen Schreckensszenarien für den Fall an die Wand, dass die griechische Linke die Wahlen gewinnt. Die Absicht ist klar: Griechenland könnte ein Fanal dafür werden, dass auch in Europa eine andere Politik im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung möglich ist. Die gebetsmühlenartige Wiederholung, die neoliberale Politik sei alternativlos, könnte durch einen linken Wahlsieg ernsthaft in Frage gestellt werden.

Unsere Solidarität gilt der griechischen Bevölkerung und SYRIZA, die sich gegen das Verarmungsprogramm wehrt. Ihr Erfolg kann der Beginn eines Wandels in ganz Europa sein – jenseits der Austeritätspolitik und für einen demokratischen und sozialen Neustart der Europäischen Union.

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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