Kleine Anfrage des Abgeordneten Andrej Hunko u. a. und der Fraktion DIE LINKE.
Zahlen zu Speicherungen und Abfragen polizeilicher EU-Datenbanken (2022)
BT-Drucksache 20/05602
Vorbemerkung der Fragesteller:
Am Schengener Informationssystem (SIS II) nehmen alle 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union teil, außerdem Island, Norwegen, Liechtenstein und die Schweiz.
Die Datenbank wird von der EU-Agentur eu-LISA betrieben, liegt aber physisch in Straßburg. Der Zugriff erfolgt über nationale Zentralstellen. Personenfahndungen bilden mit unter einer Million den kleineren Teil aller Ausschreibungen von insgesamt bis zu 90 Millionen Einträgen. Ein Zehntel dieser Eintragungen stammt aus Deutschland. Über die Hälfte der Personenausschreibungen erfolgen nach Artikel 24 des SIS-II-Ratsbeschlusses, wonach der Aufenthalt oder die Einreise in die EU verwehrt wird. An zweiter Stelle der Ausschreibungen von Personen stehen verdeckte und gezielte Kontrollen nach Artikel 36 des SIS-II-Ratsbeschlusses, mit denen Personen und Sachen heimlich in der EU verfolgt werden können. Ihre Speicherung kann durch Polizei oder Geheimdienste erfolgen, die Zahl der Betroffenen steigt jedes Jahr deutlich. Die Schengenstaaten nutzen den Artikel 36 des SIS-II-Ratsbeschlusses in sehr unterschiedlichem Ausmaß, an der Spitze liegen Frankreich, Deutschland und Italien (vgl. zuletzt Antwort auf Bundestagsdrucksache 20/895).
1:
Wie viele Personen und wie viele Sachen sind nach Kenntnis der Bundesregierung mit Stichtag 31. Dezember 2022 im Schengener Informationssystem (SIS II) ausgeschrieben, und aus welchen Mitgliedstaaten stammen wie viele dieser Einträge?
Zu 1:
Nachfolgend die Übersicht zur Anzahl von Personen- und Sachfahndungen im Schengener Informationssystem (SIS II) zum Stichtag 1. Januar 2023:
Staat Anzahl Personenfahndungen Anzahl Sachfahndungen
Österreich 37.402 425.338
Belgien 14.522 4.638.338
Island 15 21.113
Deutschland 101.268 11.460.997
Spanien 73.214 7.633.201
Frankreich 297.396 15.916.577
Griechenland 34.359 2.202.494
Italien 208.107 18.085.363
Dänemark 5.219 763.775
Luxemburg 1.848 27.542
Niederlande 38.014 4.661.932
Norwegen 15.430 817.213
Portugal 15.683 559.989
Schweden 11.776 499.379
Finnland 2.435 262.580
Tschechische Republik 16.724 3.555.902
Estland 2.289 246.385
Lettland 1.356 246.096
Litauen 2.488 905.910
Ungarn 17.734 676.429
Malta 2.483 120.109
Polen 36.477 4.177.784
Slowenien 2.663 264.285
Slowakei 5.110 1.945.571
Schweiz 28.020 1.004.138
Bulgarien 3.026 1.535.544
Rumänien 21.561 1.304.325
Liechtenstein 305 8.513
Kroatien 3.376 1.431.500
Gesamt 1.000.300 85.398.322
2:
Wie viele Ausschreibungen haben deutsche Behörden mit Stichtag 31. Dezember 2022 nach den Artikeln 24, 26 und 34 des SIS-II-Ratsbeschlusses in das SIS II eingegeben, und in welchem Verhältnis stehen diese Zahlen zu der Anzahl der nationalen Ausschreibungen in der deutschen INPOL-Datei (bitte wie in der Antwort zu Frage 15 auf Bundestagsdrucksache 19/25941 angeben)?
Zu 2:
Bei Bewertung der Zahlen muss vorangestellt werden, dass eine direkte Vergleichbarkeit der Ausschreibungen im SIS und dem Polizeilichen Informationssystem (INPOL) nicht gegeben ist. Einer SIS-Fahndung liegt zwar immer eine korrespondierende INPOL-Fahndung zu Grunde, da INPOL das Quellsystem ist. Die Entscheidung über den Fahndungsraum obliegt aber der jeweils zuständigen örtlichen (Justiz-)Behörde und ist von Aspekten wie Verjährungsfristen, Verhältnismäßigkeitsprüfungen und weiteren rechtlichen oder tatsächlichen Gegebenheiten abhängig.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass sich die genannten Fahndungszahlen in INPOL auf einzelne Ausschreibungen beziehen und in INPOL – im Gegensatz zum SIS – mehrere deutsche Ausschreibungen zu einer Person bestehen können.
Zum Stichtag 31. Dezember 2022 ergibt sich folgende Verteilung zu den Ausschreibungen deutscher Behörden im SIS:
• Art. 24 Ratsverordnung SIS II: 59.908 (ca. 49,7 Prozent der nationalen Ausschreibung)
• Art. 26 Ratsbeschluss SIS II: 6.106 (ca. 3,6 Prozent der nationalen Ausschreibung)
• Art. 34 Ratsbeschluss SIS II: 21.301 (ca. 5,8 Prozent der nationalen Ausschreibung)
3:
Welche Zahl zu Personenausschreibungen sowie zu Sachausschreibungen nach Artikel 36 des SIS-II-Ratsbeschlusses sind der Bundesregierung für 2022 (Stichtag: 31. Dezember) für die SIS-Teilnehmenden bekannt (bitte für Zwecke der verdeckten oder gezielten Kontrolle getrennt ausweisen; vgl. Vorbemerkung der Fragesteller auf Bundestagsdrucksache 19/26934)?
a) Wie viele Personen sowie Sachen waren nach Artikel 36 Absatz 2 des SISII- Ratsbeschlusses ausgeschrieben (bitte die Zahlen für deutsche Behörden getrennt ausweisen)?
b) Wie viele Personen sowie Sachen waren nach Artikel 36 Absatz 2 des SISII- Ratsbeschlusses zur unverzüglichen Meldung ausgeschrieben (bitte die Zahlen für deutsche Behörden getrennt ausweisen; vgl. Vorbemerkung der Fragesteller auf Bundestagsdrucksache 19/26934)?
c) Wie viele Personen sowie Sachen waren nach Artikel 36 Absatz 3 des SISII- Ratsbeschlusses ausgeschrieben (bitte die Zahlen für deutsche Behörden getrennt ausweisen)?
d) Wie viele Personen sowie Sachen waren nach Artikel 36 Absatz 3 des SISII- Ratsbeschlusses zur unverzüglichen Meldung ausgeschrieben (bitte die Zahlen für deutsche Behörden getrennt ausweisen)?
e) In welchem Verhältnis stehen die Zahlen zu der Anzahl der deutschen Artikel- 36-Ausschreibungen im SIS II (verdeckte und gezielte Kontrollen) zu den entsprechenden nationalen Ausschreibungen in der deutschen INPOL-Datei?
Zu 3:
Nachfolgend die Übersicht zu Ausschreibungszahlen von Personen nach Artikel 36 SIS-II-Ratsbeschluss im Schengener Informationssystem zum Stichtag 1. Januar 2023:
Staat Verdeckte Kontrolle Gezielte Kontrolle
Österreich 974 0
Belgien 1.527 595
Island 11 0
Deutschland 4.028 720
Spanien 1.229 26.702
Frankreich 53.141 49.938
Griechenland 109 48
Italien 2.582 103
Dänemark 495 9
Luxemburg 24 0
Niederlande 757 42
Norwegen 53 0
Portugal 96 0
Schweden 2.916 0
Finnland 188 0
Tschechische Republik 1.347 0
Estland 15 0
Lettland 68 3
Litauen 88 26
Ungarn 73 0
Malta 42 3
Polen 3.062 36
Slowenien 4 0
Slowakei 173 0
Schweiz 540 14
Bulgarien 205 15
Rumänien 2.793 7
Liechtenstein 2 1
Kroatien 6 0
Gesamt 76.548 78.262
Mit Stand 1. Januar 2023 sind 13.317 Sachen zur verdeckten Kontrolle sowie 11.851 Sachen zur gezielten Kontrolle im Schengener Informationssystem nach Artikel 36 SIS-II-Ratsbeschluss ausgeschrieben. Von Deutschland sind 596 Sachen zur verdeckten Kontrolle sowie 309 Sachen zur gezielten Kontrolle ausgeschrieben. Ausschreibungszahlen zu Sachen nach Artikel 36 SIS-II-Ratsbeschluss der weiteren SIS-Mitgliedstaaten liegen hier nicht vor.
Zu 3 a) bis d):
Die Fragen 3 a) bis d) werden durch nachfolgende Übersichten gemeinsam beantwortet.
Personenfahndung gem. Artikel 36 SIS-II Ratsbeschluss Stand 01.01.2023
Artikel 36 Absatz 2 SIS-II Ratsbeschluss
Gesamt: 148.530 Deutschland: 3.581
davon mit Zusatz „unverzüglich SIRENE- Büro kontaktieren“
Gesamt: 583 Deutschland: 313
Artikel 36 Absatz 3 SIS-II Ratsbeschluss
Gesamt: 11.873 Deutschland: 1.167
davon mit Zusatz „unverzüglich SIRENE- Büro kontaktieren“
Gesamt: 5.130 Deutschland: 293
Sachfahndung gem. Artikel 36 SIS-II-Ratsbeschluss
Artikel 36 Absatz 2 SIS-II Ratsbeschluss
Gesamt: 24.572 Deutschland 893
davon mit Zusatz „unverzüglich SIRENE- Büro kontaktieren“
Gesamt: 276 Deutschland: 165
Artikel 36 Absatz 3 SIS-II Ratsbeschluss
Gesamt: 596 Deutschland: 12
davon mit Zusatz „unverzüglich SIRENE- Büro kontaktieren“
Gesamt: 459 Deutschland: 3
Zu 3 e):
Fahndungsbestand zu Personen aus INPOL zum Stichtag 31. Dezember 2022 mit allen Anlass/Zweck-Kombinationen (AZK) aus INPOL, welche in Ausschreibungen nach Artikel 36 SIS II RB (verdeckte und gezielte Kontrolle) im SIS gemappt werden können (AZK 08/03, 08/21, 23/03, 23/21, 11/06, 11/22):
Gesamt: 33.372 Fahndungsdatensätze davon
Verdeckte Kontrolle: 11.536
Gezielte Kontrolle: 21.836
INPOL-Auswertungen zu Sachausschreibungen zum Stichtag 31. Dezember 2022 mit Differenzierung nach verdeckter und gezielter Kontrolle liegen hier nicht vor.
Darüber hinaus wird zur Bewertung auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen.
4:
In welchem Umfang bzw. in welcher Größenordnung nutzt die Bundesregierung das für Artikel-36-Fahndungen vorgesehene „koordinierte Verfahren zur Eingabe von Informationen zu Personen aus vertrauenswürdigen Nicht-EU-Staaten in das SIS II“, und aus welchen Drittstaaten stammen diese (vgl. Bundestagsdrucksache 19/20307)?
Zu 4:
Das sog. „Koordinierte Verfahren“ beschreibt ein freiwilliges Verfahren zur Evaluierung von Informationen aus Drittstaaten zu mutmaßlichen ausländischen Terrorkämpfern (Foreign Terrorist Fighters, FTFs) und zur möglichen Erfassung relevanter Daten im SIS. Es wurde bislang zweimal angewandt. Die diesbezüglichen Informationen stammen in dem einen Fall von INTERPOL und in dem anderen Fall von den USA. Es wird darauf hingewiesen, dass das „Koordinierte Verfahren“ nicht „für Artikel- 36-Fahndungen“ vorgesehen ist.
Etwaige Fahndungsausschreibungen erfolgen gemäß der am ehesten zutreffenden Ausschreibungskategorie, sofern deren in der nationalen und EU-Gesetzgebung festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Sofern eine Ausschreibung im SIS veranlasst wird, handelt es sich um eine einzelfallbezogene Maßnahme, die in eigener Zuständigkeit der jeweiligen nationalen Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe der gesetzlichen Voraussetzungen erfolgt.
5:
Welche technischen oder organisatorischen Änderungen waren oder sind in Deutschland erforderlich, um auch Ausschreibungen für „Ermittlungsanfragen“ oder zu unbekannten Tatverdächtigen und gesuchten Personen im SIS II einzustellen und dabei Gesichtsbilder und DNA-Profile zu Identifizierungszwecken zu nutzen, bzw. was hat die Analyse zur Implementierung der neuen Funktion im Rahmen der neuen SIS-Verordnungen hierzu ergeben (Antwort zu Frage 10 auf Bundestagsdrucksache 19/25941)?
Zu 5:
Alle technischen Anforderungen zu den in Rede stehenden Funktionalitäten wurden für den INPOL-Verbund analysiert und stehen ab Inbetriebnahme des erweiterten SIS zur Verfügung. Bzgl. der Eingabe von unbekannten gesuchten Personen gab es keine organisatorischen Anpassungen, sondern es wurde ein entsprechender Soll- Prozess mit den Polizeien von Bund und Ländern erarbeitet. Die Anwendung der weiteren Funktionen erfolgt unter geringfügiger Erweiterung von bestehenden Ist- Prozessen und Nutzung bekannter organisatorischer Strukturen.
6:
Wie viele Antragsdatensätze und Datensätze mit Fingerabdrücken sind nach Kenntnis der Bundesregierung mit Stichtag 31. Dezember 2022 im Visa-Informationssystem (VIS) gespeichert?
Zu 6:
Zum Stichtag 31. Dezember 2022 waren laut Auswertung aus dem zentralen Visa- Informationssystem (VIS) insgesamt 55.471.638 Antragsdatensätze gespeichert, davon beinhalteten 49.001.606 der Antragsdatensätze Fingerabdrücke.
7:
Wie viele Anträge auf Zugang zum VIS haben deutsche Strafverfolgungsbehörden 2022 gestellt? Wie viele Fingerabdrucksätze sind nach Kenntnis der Bundesregierung mit Stichtag 31. Dezember 2022 im Eurodac-System gespeichert, und inwiefern ist es mittlerweile möglich, diese mit übergeordneten Personendatensätzen darzustellen (Antwort zu Frage 2 auf Bundestagsdrucksache 19/25941)?
Zu 7:
Laut Auswertung der Daten aus der Anwendung „VIS Innere Sicherheit“ wurden im Jahr 2022 insgesamt 1.974 Zugangsanträge von Strafverfolgungsbehörden gestellt. In Eurodac waren mit Stand 31. Dezember 2022 6.528.908 Datensätze gespeichert. Eine Aufschlüsselung nach Personendatensätzen ist dem BKA weiterhin nicht möglich.
8:
Wie viele Gesichtsbilder, Fingerabdruckblätter bzw. Handballen sind nach Kenntnis der Bundesregierung mit Stichtag 31. Dezember 2022 in den AFIS des SIS II, des Eurodac, des Visa-Informationssystems und bei Europol gespeichert?
a) Wie viele Treffer erfolgten nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2022 seitens deutscher Behörden nach Abfragen des AFIS des SIS II, des Eurodac, des VIS und bei Europol?
b) Wie viele falsche Treffer („false hits“) erfolgten nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2022 seitens deutscher Behörden nach Abfragen des AFIS des SIS II, des Eurodac, des VIS und bei Europol?
Zu 8:
Im SIS waren zum angefragten Stichtag (31. Dezember 2022) 318.927 Fingerabdrücke und 868.676 Lichtbilder von Personen gespeichert. Handflächenabdrücke sind nicht gespeichert.
In Eurodac waren mit Stand 31. Dezember 2022 6.528.908 Datensätze gespeichert. Lichtbilder und Handflächenabdrücke werden nicht in Eurodac gespeichert. Zu den im VIS oder bei Europol gespeicherten Daten liegen der Bundesregierung keine Informationen vor.
Zu Europol liegen der Bundesregierung keine Statistiken im Sinne der Frage vor. Die Anzahl der im VIS gespeicherten Gesichtsbilder und Fingerabdrücke kann nur mit den in der Antwort zu Frage 6 bereits genannten Zahlen beantwortet werden. In jedem Antrag ist in der Regel ein Lichtbild gespeichert. Fingerabdrücke sind nicht in jedem Antrag gespeichert, da z. B. Kinder bis (derzeit) 12 Jahren von der Pflicht ausgenommen sind, und auch aus anderen Gründen, wie etwa Verletzungen, keine Fingerabdrücke abgenommen werden konnten.
Zu 8 a):
Deutsche Behörden konnten im Jahr 2022 bei Abfragen des SIS AFIS (Automatisiertes- Fingerabdruck-Identifizierungs-System) 36.381 Treffer erzielen. In Eurodac konnten im Jahr 2022 115.587 „Fingerabdruck-Treffer Eurodac“ generiert werden.
Zu Treffern deutscher Behörden nach Abfragen im VIS oder bei Europol liegen der Bundesregierung keine Informationen vor.
Zu 8 b):
Nach Abfragen des SIS AFIS wurden im Jahr 2022 48 durch das SIS AFIS gemeldete Treffer von dem BKA als sog. „False Positive“ erkannt und an eu-LISA gemeldet. Zu den Datenbanken Eurodac und VIS sind der Bundesregierung keine Informationen zu sog. „False Positive“ bekannt.
9:
Wie viele Spurendatensätze und Profile zu wie vielen Personen sind im deutschen Automatisierten Fingerabdruck-Identifizierungs-System und in der DNA-Analyse-Datei (DAD) gespeichert (bitte für Fingerabdrücke, Handballen, DNA-Daten ausweisen)?
Zu 9:
Im deutschen AFIS sind zum Stichtag (31. Dezember 2022) insgesamt 6,8 Mio. Personendatensätze, davon 1,9 Mio. mit Handflächenabdrücken sowie ca. 487.000 ungelöste Tatortspuren gespeichert. In der DNA-Analyse-Datei (DAD) sind zum Stichtag (31. Dezember 2022) insgesamt ca. 1.216 Mio. DNA-Datensätze gespeichert, davon ca. 818.000 Personendatensätze und 397.000 Spurendatensätze.
10:
In welchen deutschen, vom BKA oder von der Bundespolizei geführten Polizeidatenbanken werden nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit zu wie vielen Personen wie viele Gesichtsbilder gespeichert? Wie viele Bilder kamen im Jahr 2022 hinzu, und wie viele wurden im gleichen Zeitraum gelöscht?
Zu 10:
Mit Stand 11. Februar 2023 werden in dem polizeilichen Datenbestand INPOL-Z 6.656.307 GES-relevante Lichtbilder zu 4.623.612 Personen gespeichert. Im Jahr 2022 (1. Januar bis 31. Dezember 2022) kamen 1.477.600 Bilder hinzu, im gleichen Zeitraum wurden 395.505 gelöscht.
Weiterhin werden zu Staatsschutz-Zwecken Lichtbilder in der Datei ST-Libi recherchefähig gespeichert. Der Zugriff ist für den Verbund nicht möglich. Die Anzahl der dort gespeicherten Lichtbilder beträgt 3.571 Lichtbilder (Stand: 11. Februar 2023).
11:
Aus welchen vorwiegenden Quellen speisen sich die Gesichtsbilder im verbundfähigen Lichtbildbestand von INPOL-Zentral, und über welche Statistiken verfügt das Bundesministerium des Innern und für Heimat hierzu (bitte möglichst angeben, in welcher Größenordnung die Dateien etwa aus erkennungsdienstlichen Behandlungen, Asylanträgen o. Ä. stammen)?
Zu 11:
Die Daten stammen aus erkennungsdienstlichen Behandlungen im Rahmen von Amtshilfeverfahren sowie aus polizeilichen ED-Maßnahmen. Insgesamt sind 3.564.613 nicht-polizeiliche und 3.091.694 polizeiliche Daten gespeichert (gesamt: 6.656.307 – Stand: 11. Februar 2023).
12:
Wie viele Personenidentifizierungen haben die dazu bevollmächtigten Behörden nach Kenntnis der Bundesregierung im gesamten Jahr 2022 mithilfe des Gesichtserkennungssystems (GES) des Bundeskriminalamtes erzielt (bitte wie in der Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 92 des Abgeordneten Alexander Ulrich auf Bundestagsdrucksache 20/1679 aufschlüsseln nach Zahlen des BKA, der Bundespolizei und der Landeskriminalämter)?
Zu 12:
Die Gesamtanzahl der Personenidentifizierungen von BKA, Bundespolizei und Landeskriminalämtern wird im BKA technisch nicht zentral vorgehalten. Diese Zahlen werden jährlich vom BKA für das jeweilige Vorjahr gesondert erhoben. Die diesbezügliche Erhebung für das Jahr 2022 wird derzeit noch durchgeführt. Die Bundespolizei hat im gesamten Jahr 2022 in Strafverfahren 7.697 Recherchen mit dem Gesichtserkennungssystem durchgeführt und hierbei 2.853 unbekannte Personen identifiziert.
13:
Welche Software zur computergestützten Bildersuche bzw. zu Bildervergleichen haben polizeiliche oder geheimdienstliche Bundesbehörden im Jahr 2022 (auch testweise) beschafft, nach welchem Verfahren funktioniert diese, wo wird diese jeweils genutzt bzw. welche Nutzung ist anvisiert, welche konkreten Behörden bzw. deren Abteilungen sind bzw. wären darüber zugriffsberechtigt, in welchen Ermittlungen kommen bzw. kämen diese im Einzel- oder Regelfall zur Anwendung (bitte mitteilen, wenn sich Änderungen gegenüber dem Vorjahr ergeben haben, vgl. Antwort zu Frage 12 auf Bundestagsdrucksache 19/25941)?
a) An welchen Forschungs- oder Pilotprojekten zur computergestützten Bildersuche bzw. zu Bildervergleichen beteiligen sich welche Behörden des Bundesministeriums des Innern und für Heimat hinsichtlich der Entwicklung verbesserter Verfahren, und welche Soft- und Hardware welcher Hersteller wird dabei genutzt?
b) Welche Software nutzt das BKA derzeit für den forensischen Stimmenvergleich?
Zu 13:
Für den Bereich des BKA und der Bundespolizei ist die Bundesregierung nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Frage 13 nicht in offener Form erfolgen kann. Die in dieser Frage erbetenen Auskünfte sind geheimhaltungsbedürftig, weil sie Informationen enthalten, die im Zusammenhang mit der Arbeitsweise und Methodik der von der Kleinen Anfrage betroffenen Dienststellen des Bundes und insbesondere deren Ermittlungsaktivitäten und Analysemethoden stehen. Die erfragten Informationen beinhalten zum Teil detaillierte Einzelheiten zu ihren technischen Fähigkeiten und ermittlungstaktischen Verfahrensweisen. Aus ihrem Bekanntwerden könnten Rückschlüsse auf ihre Vorgehensweise, Fähigkeiten und Methoden gezogen werden. Die Kenntnisnahme dieser Informationen durch Unbefugte kann für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein. Aus ihrem Bekanntwerden würde die Gefahr entstehen, dass ihre bestehenden oder in der Entwicklung befindlichen operativen Fähigkeiten und Methoden aufgeklärt und damit der Einzelerfolg gefährdet würde. Es könnten entsprechende Abwehrstrategien entwickelt werden. Dies könnte einen Nachteil für die wirksame Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland bedeuten. Deshalb sind einzelne Informationen gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) als „VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ eingestuft und werden als nicht zur Veröffentlichung in einer Bundestagsdrucksache bestimmte Anlage gesondert übermittelt.
Bezüglich der Nachrichtendienste des Bundes betrifft die Frage solche Informationen, die das Staatswohl in besonders hohem Maße berühren und daher selbst in eingestufter Form nicht beantwortet werden können. Die erfragten Informationen zu Software zur computergesteuerten Bildersuche bzw. zu Bildvergleichen sowie Forschungs- und Pilotprojekte zielen im Kern auf die Offenlegung bestimmter nachrichtendienstlicher Arbeitsmethoden, Fähigkeiten und Vorgehensweisen im Bereich der technischen Aufklärung. Die Offenlegung könnte Rückschlüsse auf die Methoden und deren Anwendungen erlauben. Solche Arbeitsmethoden sind im Hinblick auf die künftige Erfüllung des gesetzlichen Auftrages der betroffenen Nachrichtendienste jedoch besonders schutzwürdig. Der Schutz der technischen Aufklärungsfähigkeiten stellt für die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste einen überragend wichtigen Grundsatz dar. Er dient der Aufrechterhaltung der Effektivität nachrichtendienstlicher Informationsbeschaffung und Auswertung durch den Einsatz spezifischer Fähigkeiten und damit dem Staatswohl. Das Bekanntwerden der näheren Umstände der technischen Aufklärungsfähigkeiten sowie -tätigkeiten und Analysemethoden könnte das Wohl des Bundes gefährden. Eine (zur Veröffentlichung bestimmte) Antwort der Bundesregierung auf diese Fragen würde spezifische Informationen zur Tätigkeit, insbesondere zur Methodik und den konkreten technischen Fähigkeiten der Sicherheitsbehörden, einem nicht eingrenzbaren Personenkreis nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland zugänglich machen. Dabei würde die Gefahr entstehen, dass ihre bestehenden oder in der Entwicklung befindlichen operativen Fähigkeiten und Methoden aufgeklärt würden und damit der Einzelerfolg gefährdet würde. Es könnten entsprechende Abwehrstrategien entwickelt werden. Dies könnte einen Nachteil für die wirksame Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland bedeuten. Deswegen kann auch nach Abwägung mit der Bedeutung des parlamentarischen Fragerechts eine Beantwortung in offener Form nicht erfolgen.
Die Fragestellung berührt zudem derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen, dass auch ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens, wie es auch bei einer Übermittlung an die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages nicht ausgeschlossen werden kann, aus Staatswohlgründen vermieden werden muss. Das Bekanntwerden von durch die Nachrichtendienste beschaffter bzw. nicht beschaffter kommerzieller Softwareprodukte lässt unmittelbar Rückschlüsse auf die in den betroffenen Behörden vorhandenen Kompetenzen bzw. auf Anstrengungen zur Beseitigung entsprechender Fähigkeitslücken zu. Darüber hinaus lässt die Kenntnis darüber, welche Software in den Nachrichtendiensten eingesetzt wird, auch Rückschlüsse auf die jeweiligen Arbeitsmechanismen der Software und deren mögliche Arbeitseinbindung zu. Eine Nennung der beschafften Softwareprodukte führt zu einer Offenlegung von Implementierungsdetails der verwendeten Algorithmen und macht die Nachrichtendienste so angreifbar gegenüber Angriffen mit der Zielsetzung, computergestützte Auswertungsroutinen gezielt in die Irre zu führen und so die nachrichtendienstliche Kernaufgabe der Datenanalyse in diesen Behörden in Teilen unbrauchbar zu machen. Nach erneuter Abwägung ist die Bundesregierung zu der Auffassung gelangt, dass auch eine Übermittlung der Antwort in eingestufter Form aus Staatswohlgründen nicht erfolgen kann.
Zu 13 a):
Aktuell befindet sich beim BKA in Prüfung, ob zukünftig eine Zusammenarbeit mit der Hochschule Darmstadt an einem Forschungsvorhaben bzgl. der künstlichen Alterung von Gesichtern durchgeführt werden kann.
Derzeit erprobt die Bundespolizei durch die AG Digitale Kompetenz zwei Systeme zur teilautomatisierten Videoauswertung (tVAS). Die Erprobung wurde nach einer Marktsichtung und Ausschreibung durch das Beschaffungsamt gestartet. Dabei wurden Systeme der Firmen Digivod GmbH und Idemia Germany GmbH zunächst für die Dauer von zwölf Monaten angemietet. Dieser Vertrag wurde nochmals mit beiden Systemen bis zum 16. Februar 2023 verlängert.
Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen.
Zu 13 b):
Es wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 15 b) der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 20/895 verwiesen.
14:
Welche Zahlen zu Personenausschreibungen sind der Bundesregierung für das Jahr 2022 (Stichtag: 31. Dezember) zu den verschiedenen Interpol-Datenbanken bekannt, und wie viele Lichtbilder enthält die Gesichtserkennungsdatenbank bei Interpol (bitte ausweisen, wie viele dieser Daten aus Deutschland stammen)?
Zu 14:
INTERPOL-Personenausschreibungen sind in der INTERPOL-Datenbank „eASFNOM“ (electronic automated search facility – nominal) gespeichert. In dieser Datenbank sind die internationalen Personenfahndungen der weltweit 195 Mitgliedstaaten von INTERPOL erfasst. Zu der Zahl dieser Personenausschreibungen führt das BKA keine Statistik; solche Statistiken werden von dem Generalsekretariat von INTERPOL in Lyon geführt. Auf dem INTERPOL-Dashboard kann eingesehen werden, dass der Gesamtbestand der eASF-NOM zum Stichtag 31. Dezember 2022 bei 226.825 Fahndungen liegt; darin enthalten sind 6.932 Fahndungsausschreibungen aus Deutschland.
Aktuell liegen dem BKA noch keine Informationen vor, wie viele Lichtbilder im INTERPOL Facial Recognition System (IFRS) gespeichert sind. Das BKA hat keine Zustimmung zur Speicherung von deutschen Daten im IFRS erteilt.
15:
Sofern die Bundesregierung ihre Zustimmung zur Speicherung deutscher Daten weiterhin nicht erteilt hat, welche Vorschläge hat sie gemacht, um die Nutzung deutscher Daten bei Interpol einzuschränken, sodass diese auch von Drittstaaten genutzt werden können (Antwort zu Frage 16 auf Bundestagsdrucksache 20/895)?
Zu 15:
Es wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 9 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/26934 verwiesen. Der Sachstand ist unverändert.
16:
Wie viele Personenidentifizierungen haben die dazu bevollmächtigten Behörden nach Kenntnis der Bundesregierung im gesamten Jahr 2022 mithilfe des Gesichtserkennungssystems (GES) des Bundeskriminalamtes erzielt (bitte wie in der Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 92 des Abgeordneten Alexander Ulrich auf Bundestagsdrucksache 20/1679 aufschlüsseln nach Zahlen des BKA, der Bundespolizei und der Landeskriminalämter)?
Zu 16:
Es wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen
Quelle: Drucksache 20/5781