Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Heron-Drohne CC-BY-SA ILA-boy 01“Eyes in the sky for boots on the ground”: Ein Überblick über die militärische und polizeiliche Drohnen-Strategie der Bundesregierung und die Forderung nach ihrer grundsätzlichen Revision

Zuerst erschienen im aktuellen Linksletter der Partei DIE LINKE. aus NRW

Der Einsatz von großen Drohnen ist derzeit in aller Munde, mehrere Ministerien sind damit befasst. Aktuell macht vor allem der Verteidigungsminister von sich reden, weil er mehrere Hundert Millionen für die US-Spionagedrohne „Euro Hawk“ in den Sand gesetzt hat.

Eines von fünf Geräten wurde als Prototyp geliefert und wird derzeit im bayerischen Manching getestet. Der Rüstungskonzern EADS ist zuständig für die Ausrüstung mit Signaltechnik, damit der hoch fliegende Flugroboter jeden beliebigen Funkverkehr in einem bestimmten Gebiet abhören kann. Bislang wird dies von Bundeswehrflugzeugen übernommen, die Drohnen können aber höher fliegen und haben damit ein besseren Wirkungsgrad. Nun will der oberste Dienstherr de Mazière die „Reißleine“ ziehen, weil Hersteller und US-Regierung Teile der Steuerungstechnik des „Euro Hawk“ für sich behalten wollen. Diese Politik der „Black Box“ kennen wir auch aus zahlreichen anderen Überwachungsprojekten. Die beteiligten Konzerne, die US-Firma Northrop Grumman und EADS, halten von einem Ausstieg wenig. Sie schlagen vor, das Projekt wie geplant zu betreiben und versprechen, erforderliche Genehmigungen zu beschaffen. Dabei geht es vor allem um die luftfahrtrechtliche Zulassung, damit die „Euro Hawk“ auch außerhalb des militärischen Luftraums agieren kann, sich also den Himmel mit Passagierflugzeugen teilt.

Der „Euro Hawk“ ist ein Derivat der Drohne „Global Hawk“, die vom US-Militär in mehreren Varianten geflogen wird. Diese „Global Hawk“ lassen auch bei der NATO die Herzen höher schlagen, mehrere Geräte sollen deshalb ins NATO-Programm „Alliance Ground Surveillance“ (AGS) eingebunden werden. Das Motto der Spionage aus der Luft lautet “Eyes in the sky for boots on the ground”. Die Drohnen starten und landen vom sizilianischen Stützpunkt Sigonella. Die US-Luftwaffe hat bereits zwei „Global Hawk“ dort stationiert – unter dubiosen Umständen, denn die Genehmigung der italienischen Regierung wurde mit dem damaligen Premierminister Berlusconi persönlich ausgedealt. Er bat US-Diplomaten, die Bevölkerung wegen des Wahlkampfes zunächst darüber im Unklaren zu lassen. Deutschland hat versprochen, ebenfalls einige „Global Hawk“ für die NATO in Sizilien zu kaufen. Während mehrere Länder wegen knapper Staatshaushalte ihre Zusagen storniert haben, will das deutsche Verteidigungsministerium sein Versprechen aufrechterhalten. Zunächst würden aber zunächst „flugbetriebliche, operationelle und technische Details“ geprüft. Erst dann soll entschieden werden, unter welchen Umständen das AGS-Projekt fortgeführt wird.

Gleichzeitig wird im Verteidigungsministerium an einer Ausschreibung für bewaffnete Drohnen gearbeitet. Zwar wurde – dem Beispiel von Berlusconi folgend – eine Entscheidung über den Kauf auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben. Hinter den Kulissen trifft das Militär aber seine Auswahlentscheidung für Fähigkeiten der gewünschten Kampfroboters, die noch im Sommer gefällt werden soll. Im Gespräch sind die israelische Drohne „Heron TP“ oder die moderne Version der US-Drohne „Predator“. Deutschland hat sich mit den Niederlanden zusammengetan und plant eine gemeinsame Beschaffung, im Gespräch sind 16 Stück für die Bundeswehr und vier Stück für die niederländische Luftwaffe. Mit seiner Drohnen-Strategie will der Minister den Krieg für die Bundeswehr führbarer machen.

Die Beschaffung von Aufklärungsddrohnen ist nicht nur eine militärische Angelegenheit: Auch Polizeien der EU-Mitgliedstaaten interessieren sich für größere Drohnen, um damit Kameratechnik mit besserer Auflösung zu befördern. Dabei geht es vor allem um die Bekämpfung unerwünschter Migration. Vor zwei Jahren haben deutsche Grenzpolizisten selbst den Einsatz größerer Drohnen auf der Ostsee erprobt. Von den Ergebnissen der eigentlich zivilen Studien profitiert auch die Bundeswehr. Ein wichtiger Knoten in der Drohnen-Forschung ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Auf EU-Ebene ist das DLR ist an einem Vorhaben beteiligt, das israelische „Heron“-Drohnen zur Überwachung des Mittelmeers testet. Offensichtlich hat das italienische Militär eine seiner „Predator“-Drohnen für Testflüge ausgeliehen. Die abstrusen Formen der EU-Forschungen werden im Projekt AEROCEPTOR sichtbar: Die EU-Kommission fördert Untersuchungen zum polizeilichen Anhalten von Fahrzeugen mithilfe von Drohnen. Zusammen mit dem Raketenhersteller MDBA und einer slowakischen Militärakademie beteiligt sich daran auch das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt. „Nicht-kooperative Fahrzeuge“ könnten dann mit elektromagnetischen Impulsen gestoppt werden. Sofern das nicht hilft, würden Netze und ein „Spezial-Schaumstoff“ eingesetzt, um das Fahrzeug an der Weiterfahrt zu hindern. Es handelt sich auch bei diesen Forschungen um eine unzulässige Finanzierung der Rüstungsindustrie aus Töpfen der zivilen Forschung. Die Technik kann keinesfalls als „nicht-tödliche Waffe“ bezeichnet werden: Es ist keinesfalls geklärt, inwiefern die gebündelte Strahlung gesundheitsgefährdend ist. Wenn Fahrerinnen und Fahrer der attackierten Fahrzeuge einen Herzschrittmacher tragen, dürfte das ihren sicheren Tod bedeuten.

Um die Dimension von Drohnen für zivile und militärische Anwendungen zu hinterfragen und eine Debatte zu befördern, haben wir drei Kleine Anfrage dazu gestellt. Unter dem Titel „Militärische Drohnen-Strategie der Bundesregierung: Kampfdrohnen“ erfragen wir deren dubiose Beschaffung, die aus Angst vor einem Wahldebakel heimlich vonstatten geht. Mit „Militärische Drohnen-Strategie der Bundesregierung: Spionagedrohnen“ wollen wir Aufklärung zu den Spionagedrohnen „Euro Hawk“ und „Global Hawk“. Dem Verteidigungsministerium gefällt das gar nicht: Dafür wird die parlamentarische Kontrolle ausgehebelt: Bis Freitag hätte mir das Verteidigungsministerium die Kleine Anfrage beantworten müssen, aber erst nach mehreren tagen erklärt, man wolle die Antworten erst in drei Wochen liefern. Dann wäre die Debatte aber abgeebbt , deshalb hat die Linksfraktion nun Beschwerde eingelegt. Immerhin wurde die Anfrage „Polizeiliche Drohnen-Strategie: Abfluggewicht über 25 Kilogramm“ zeitnah beantwortet. Heraus kam unter anderem, dass die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX Workshops abhält, wo Drohnen unterschiedlicher Hersteller vorgeführt werden. Präsentationen hat es zu den (eigentlich nur militärisch genutzten) Typen „Heron“ und „Predator“, aber auch zum „Euro Hawk“ gegeben: Ein gutes Beispiel für die Militarisierung der inneren Sicherheit. Die Bundespolizei war seit 2009 bei fast allen derartigen Veranstaltungen präsent.

Angesichts der beschriebenen Entwicklungen hilft eigentlich nur ein generelles Moratorium, um die Drohnen-Strategie der Bundesregierung einer grundsätzlichen Revision zu unterziehen. Dies gilt auch für militärische und polizeiliche Forschungen auf EU-Ebene. Offensichtlich gewichten Rüstungspolitiker die Interessen der Industrie höher gewichtet als die der Steuern zahlenden Öffentlichkeit. Es profitieren Militärausrüster, allen voran der deutsch-französische Konzern EADS. Die politische Verantwortung dafür trägt der Verteidigungsminister – er sollte sie nun auch endlich wahrnehmen und zurücktreten. Von grundsätzlicher Bedeutung sind übrigens auch die Anstrengungen im Bereich der Verkehrsministerien und Luftfahrtkontrollbehörden, die derzeit mit Zulassungsverfahren befasst sind. Wenn klar ist, dass Drohnen anderen Flugzeugen autonom ausweichen können, sollen sie sich mit zivilen Flugzeugen den Luftraum teilen. Dann könnten die Polizeidrohnen auch von regulären Verkehrsflughäfen starten. Statt unbemannter Überwachung mit immer höherer Auflösung und einer neuen tödlichen Waffengattung brauchen wir eine internationale Drohnenkonvention. Die Entwicklung und der Einsatz von Drohnen muss strikt auf eindeutig zivile und humane Anwendungen begrenzt bleiben.

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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