Fragen an die Bundesregierung
Abgeordnete können für die Fragestunde in jeder Sitzungswoche bis zu zwei Fragen zur mündlichen Beantwortung an die Bundesregierung richten. Dabei darf jede Frage in zwei Unterfragen unterteilt werden und der oder die Fragende darf während der Fragestunde im Plenum weitere Zusatzfragen stellen. Die Antworten übernehmen meist die Parlamentarischen Staatssekretäre oder Staatsminister der Bundesministerien, mitunter aber auch die Minister selbst. Die Regierung beantwortet die Fragen von nicht anwesenden Abgeordneten innerhalb einer Woche schriftlich.
Mündliche Frage (beantwortet) zur Ausarbeitung von Szenarien für ein Ende des Krieges in der Ukraine
Frage: Hat die Bundesregierung bzw. haben ihre Ressorts sowie nachgeordnete Bundesbehörden seit dem 24. Februar 2022 Szenarien für das Ende des Krieges in der Ukraine selbst ausgearbeitet oder an externe Organisationen in Auftrag gegeben (bitte Ressorts bzw. Organisationen angeben), und, wenn ja, sind darunter Szenarien gewesen, bei denen die Ukraine gegen Russland ihre militärischen Ziele nicht erreicht hat bzw. ihre territoriale Integrität in den Grenzen von 1991 nicht wiederherstellen kann (vergleiche „Das heikle Russlanddinner beim deutschen Botschafter“, „Der Spiegel“ am 22. Dezember 2023)?
Frage: Wann wurde die Bundesregierung seit dem 27. Juni 2023 durch den Generalbundesanwalt über den Stand der Ermittlungen zu den Sabotageakten an den Nord-Stream-Pipelines unterrichtet (bitte jeweils mit Datum und TeilnehmerInnen der Bundesregierung /Bundesministerien angeben), und inwiefern gab es infolge dieser Unterrichtungen bzw. im Zusammenhang mit den Ermittlungen Weisungen an den Generalbundesanwalt?
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Benjamin Strasser: Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) „unterrichtet“ im Rahmen der üblichen Fachaufsicht gemäß § 147 Nummer 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes das Bundesministerium der Justiz (BMJ). Der GBA hat das BMJ seit dem 27. Juni 2023 mit Berichten vom 18. August 2023 und 13. Dezember 2023 über den Stand der Ermittlungen wegen des Verdachts der verfassungsfeindlichen Sabotage (§ 88 des Strafgesetzbuches) und anderer Straftaten im Zusammenhang mit der Beschädigung der Nord Stream Gaspipelines in der Ostsee am 26. September 2022 unterrichtet. Infolge dieser Unterrichtungen beziehungsweise im Zusammenhang mit den Ermittlungen wurden keine Weisungen an den GBA erteilt.
Frage: Hat die Bundesregierung vor, an der Operation Prosperity Guardian (siehe dazu www.defense.gov/News/Releases/Release/Article/3621110/statement-from-secretary-of-defense-lloyd-j-austin-iii-on-ensuring-freedom-of-n/) der sogenannten Internationalen Marine-Koalition im Roten Meer gegen die Angriffe von Huthis teilzunehmen bzw. die Koalition militärisch oder politisch zu unterstützen, und wenn nein, warum nicht, und soll nach Ansicht der Bundesregierung die EU-Marinemission „Atalanta“ gegen die Angriffe von Huthis eingesetzt werden, und wenn nein, warum nicht (siehe de.euronews.com/my-europe/2024/01/02/rotes-meer-warum-distanzieren-sich-eu-staaten-von-us-operation-gegen-huthis)?
Antwort der Staatssekretärin Susanne Baumann: Die gewaltsamen Angriffe der Huthis gegen die zivile Schifffahrt sowie Marineschiffe im Roten Meer greifen massiv in die Sicherheit der internationalen Schifffahrt ein. Die Bundesregierung hat diese Angriffe mehrfach verurteilt, zuletzt in einer gemeinsamen Erklärung mit den Regierungen der Vereinigten Staaten, Australiens, Bahrains, Belgiens, Kanadas, Dänemarks, Italiens, Japans, der Niederlande, Neuseelands, der Republik Korea, Singapurs und des Vereinigten Königreichs am 3. Januar 2024 (www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/-/2638950).
Eine mögliche Unterstützung der durch die Vereinigten Staaten initiierten Operation „Prosperity Guardian“ wird derzeit geprüft. Auf EUEbene laufen aktuell die Beratungen darüber, wie die EU zum Schutz der Schifffahrt im Roten Meer und vor der Küste Jemens beitragen kann. Über eine Ausweitung der Aufgaben der laufenden EU-Operation „ATALANTA“ auf das Rote Meer konnte im Rat der EU kein Konsens erzielt werden.
Frage: Welche Ressorts der Bundesregierung und nachgeordneten Behörden unterhalten aktuell Kontakt zu russischen staatlichen Stellen (wie z.B. russische Ministerien, Präsidialamt, diplomatische Vertretungen und weitere staatliche Behörden; bitte Anlässe und Zeitraum angeben)?
Antwort der Staatssekretärin Susanne Baumann: Aufgrund des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine verfolgt die Bundesregierung in enger Abstimmung mit ihren europäischen und internationalen Partnern weiterhin den ganzheitlichen Ansatz einer grundlegenden Änderung ihrer Kooperationspolitik mit Blick auf Russland. Vor diesem Hintergrund bleiben direkte Regierungskontakte mit Russland bis auf Weiteres auf allen Ebenen ausgesetzt. Arbeitskontakte der Ressorts und von nachgeordneten Behörden mit russischen staatlichen Stellen sind entsprechend auf ein notwendiges Minimum reduziert.
Antwort auf Nachfrage: Die verbleibenden Kontakte auf Arbeitsebene bestehen insbesondere im Rahmen des Erhalts der diplomatischen und konsularischen Beziehungen mit Russland fort. Hierzu gehören beispielsweise Kontakte zur Erteilung von Visa und Akkreditierungen. Darüber hinaus besteht Austausch unter anderem in Verbindung mit dem Betrieb der jeweiligen Auslandsvertretungen und sonstigen Liegenschaften, wie beispielsweise Gedenkstätten, sowie zu Fragestellungen bilateraler Abkommen.
Entsprechend notwendige Arbeitskontakte werden sowohl durch das Auswärtige Amt als auch durch die deutschen Auslandsvertretungen in Russland wahrgenommen. Hierunter fallen sowohl Gespräche als auch schriftliche Korrespondenz.
Es besteht jedoch weder eine rechtliche Verpflichtung noch ist es im Sinne einer effizienten und ressourcenschonenden öffentlichen Verwaltung leistbar, Informationen und Daten sämtlicher Kontakte zu staatlichen Stellen, insbesondere auf Arbeitsebene, vollständig zu erfassen oder entsprechende Dokumentationen darüber nachträglich zu erstellen oder zu pflegen.
Frage: Existieren nach Kenntnis der Bundesregierung oder nachgeordneter Behörden konkrete Hinweise (auch geheimdienstliche) auf eine tatsächlich bevorstehende militärische Invasion oder zumindest Invasionspläne bzw. -absichten seitens Russlands in die baltischen Staaten und Polen, und wenn ja, welche (siehe dazu die Antwort der Bundesregierung zu Frage 14 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagesdrucksache 19/4758 und die Berichterstattung zu den Plänen der Bundesregierung, etwa 5.000 Bundeswehrsoldaten in Litauen dauerhaft zu stationieren wie z. B. "Pistorius besiegelt Stationierung von 5.000 Soldaten in Litauen" in ZEIT am 18. Dezember 2023), und auf welcher Grundlage fußt die Einschätzung des Bundesministers der Verteidigung Boris Pistorius, dass am Ende dieses Jahrzehnts diesbezüglich "Gefahren auf uns zukommen" könnten (siehe dazu das Interview mit Boris Pistorius "Es hilft nichts, einfach nur auf den Frieden zu hoffen" in Welt am Sonntag, S.3 am 17. Dezember 2023).
Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Siemtje Möller: Die Einschätzung des Bundesministers der Verteidigung leitet sich aus dem stark veränderten Sicherheitsumfeld in Europa ab, das insbesondere durch den fortdauernden völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine geprägt ist. Dazu hat die NATO in ihrem Strategischen Konzept, welches im Juli 2022 von den Alliierten verabschiedet wurde, festgestellt: „Im euro-atlantischen Raum herrscht kein Frieden. Die Russische Föderation hat gegen die Normen und Grundsätze verstoßen, die zu einer stabilen und vorhersehbaren europäischen Sicherheitsordnung beigetragen haben. Wir können die Möglichkeit eines Angriffs auf die Souveränität und territoriale Unversehrtheit von Verbündeten nicht ausschließen“. Ebenso hat die NATO im Strategischen Konzept von 2022 die Russische Föderation als „die größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum“ identifiziert. Diese Bedrohung wurde im Kommuniqué des Gipfels der Staats- und Regierungschefs der NATO von Wilna bestätigt.
Als Bündnis der kollektiven Verteidigung und um effektive Abschreckung sicherstellen zu können, ist es notwendig, dass die NATO und die Alliierten jede Bedrohung ernst nehmen und sich entsprechend vorbereiten. Auf die Antworten der Bundesregierung zu den Fragen 9 und Frage 12 auf Bundestagsdrucksache 20/9008 wird verwiesen.
Frage: Wie viele deutsche Staatsangehörige wurden nach Kenntnis der Bundesregierung durch die Kämpfe im Gazastreifen seit dem 7. Oktober 2023 getötet (www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/politik/gaza-deutsche-familie-zivile-todesopfer-e652813/), und wird der Generalbundesanwalt Ermittlungen zu den Todesumständen nach dem Völkerstrafgesetzbuch aufnehmen (www.sueddeutsche.de/politik/gaza-krieg-justiz-bundesanwaltschaft-1.6321869)?
Antwort der Staatssekretärin Susanne Baumann: Nach der Bundesregierung vorliegenden Informationen ist davon auszugehen, dass seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 eine einstellige Zahl deutscher Staatsangehöriger durch die Kämpfe im Gazastreifen getötet wurde. Gesicherte Erkenntnisse, etwa in der Form von Sterbeurkunden oder sonstigen amtlichen Mitteilungen, liegen allerdings nicht vor. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof prüft in einem Beobachtungsvorgang, ob sich zureichende Anhaltspunkte für das Vorliegen von Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch ergeben.
Frage: Wie oft (im Durchschnitt pro Woche) führen die Bundesministerien und das Bundeskanzleramt neben den durch den privaten Verein „Bundespressekonferenz e.V.“ organisierten und in seinem eigenen Haus dreimal pro Woche stattfindenden Regierungspressekonferenzen ihre Pressekonferenzen durch (bitte alle Pressekonferenzen im November 2023 innerhalb und außerhalb der Räumlichkeiten der Bundesministerien und des Bundeskanzleramts auflisten)?
Antwort des Staatssekretärs Steffen Hebestreit (Sprecher der Bundesregierung): Im Folgenden werden als „Pressekonferenzen“ diejenigen Pressebegegnungen aufgeführt, bei denen eine Gelegenheit für Fragen von Journalistinnen und Journalisten vorgesehen war. Gemäß der Fragestellung sind nur die Pressekonferenzen aufgelistet, die von dem genannten Bundesministerium oder dem Bundeskanzleramt durchgeführt wurden - und nicht solche, die etwa auf Einladung eines anderen Bundesministeriums, der Staatskanzlei eines Bundeslandes oder eines Gastgebers/einer Gastgeberin bei Besuchen im Ausland erfolgt sind.
Die nachfolgenden Angaben ermöglichen daher keinen umfassenden Überblick über die jeweilige Pressearbeit eines Bundesministeriums oder des Bundeskanzleramtes. Sie beruhen zudem allein auf einer Durchsicht von Unterlagen und sind daher möglicherweise nicht vollständig.
Frage: Wie lange schon wird die Militärübung Eiskristall der Bundeswehr in Norwegen durchgeführt (bitte nach Jahren und Zeitraum aufschlüsseln), und mit welcher Zahl deutscher Soldatinnen und Soldaten hat die Bundeswehr in der Vergangenheit an Eiskristall teilgenommen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
Antwort des Staatssekretärs Thomas Hitschler: EISKRISTALL ist eine Klimazonenausbildung zur Vorbereitung von Soldatinnen und Soldaten auf Einsätze und Übungen unter arktischen Witterungsbedingungen.
Die Ausbildung EISKRISTALL wird seit dem Jahr 2016 jährlich mit 150 bis 200 Soldatinnen und Soldaten in Norwegen durchgeführt.
Im Jahr 2019 ist die Ausbildung EISKRISTALL aufgrund der Einschränkungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ausgefallen.
Frage: Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die Listen mit den für einen Schengenvisum-Antrag erforderlichen Dokumenten für russische Staatsangehörige sich abhängig vom EU-Staat, bei welchem ein Schengenvisum beantragt wird, unterscheiden (vgl. die Liste mit erforderlichen Unterlagen des Visumantragszentrums für Deutschland www.visametric.com/storage/images/pages/files2/6481e15a2e167-2-VISIT-visiting-close-relatives-RUS.pdf und die Liste des Visumantragszentrums für Griechenland ru-gr.gvcworld.eu/sites/default/files/paragraph/files/memo_moscow_072022_ru.pdf), und wenn ja, warum (bitte begründen), und betrachtet die Bundesregierung die verschärften Visa-Bestimmungen gegenüber den russischen Staatsangehörigen als kollektive Strafmaßnahme für den Krieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine (siehe dazu www.nachdenkseiten.de/?p=107035)?
Antwort der Staatssekretärin Susanne Baumann: Seit 2022 bis zum Ende des dritten Quartals 2023 wurden 57.683 Visa zum kurzzeitigen Aufenthalt (C-Visa) an russische Staatsangehörige erteilt (2022: 42.141; 2023 bis Ende 3. Quartal: 15.542). In der Visastatistik des Auswärtigen Amts werden nur Anträge erfasst, die abschließend bearbeitet wurden. Die Zahl der seit 2018 bis zum Ende des dritten Quartals 2023 bearbeiteten Anträge von russischen Staatsangehörigen ist der Tabelle in Anlage 1 VSnfD zu entnehmen. Bezüglich der Zahl der abgelehnten Visumanträge, die sich aus den erfragten Visumzahlen errechnen ließe, ist die Bundesregierung nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass die Frage aus Gründen des Staatswohls nicht offen beantwortet werden kann. Die Abwägung des Interesses der Bundesregierung, die bilateralen Beziehungen nicht durch die Veröffentlichung der Information zu belasten mit dem Informationsinteresse des Bundestags ergibt, dass eine eingestufte Herausgabe der Ablehnungszahlen eine angemessene Lösung ist. Zur Begründung wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung in der Antwort vom 9. November 2023 auf die Kleine Anfrage 20/9236 der Fraktion DIE LINKE verwiesen.
Frage: Welche (auch nachrichtendienstliche) Kenntnisse (bzw. Schätzungen) hat die Bundesregierung über die Verluste (Gefallene, Vermisste und Verletzte) der Ukraine und Russlands seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 und wie bewertet die Bundesregierung das ukrainische und russische Mobilisierungspotenzial vor dem Hintergrund der durch Außenministerin Annalena Baerbock zugesagten Unterstützung für weitere Gegenoffensiven (dpa vom 28. November 2023 14:57, "Baerbock sichert Ukraine Unterstützung bei neuen Gegenoffensiven zu")?
Antwort der Staatssekretärin Siemtje Möller: Über die Verluste der ukrainischen und russischen Streitkräfte seit Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. Die Bundesregierung äußert sich nicht spekulativ zu Verlusten und Mobilisierungspotentialen.